Größere Wunden verursachen generell ein Austreten von Wundwasser. Allerdings ist dessen Zusammensetzung nicht immer gleich und auch die Ursachen für das Fließen von Wundsekret können unterschiedlicher Natur sein. Wie es in diesem Zusammenhang speziell nach einer Operation zur Bildung von Wundwasser kommt, welche Komplikationen damit verbunden sein können und wie sich der Sekretfluss am besten eindämmen lässt, möchten wir Ihnen in diesem Betrag näher erläutern.
Wie entsteht Wundwasser?
Wundwasser, Wundsekret oder auch Wundflüssigkeit sind Sammelbegriffe für bei der Wundheilung abgesonderte Körpersubstanzen. Sie bestehen meist aus einer Mischung weißer Blutkörperchen (Leukozythen), Blutzellen (Monozyten) und Lymphflüssigkeit (Lymphe) und bilden gemeinsam ein körpereigenes Serum, das zur Wiederherstellung zerstörter Gewebeschichten unerlässlich ist.
Wundsekret kann entweder entzündlich bedingte Absonderungen (Exsudate) oder nicht entzündlich bedingte Körperflüssigkeiten (Transsudate enthalten. Exsudate sind dabei meist gelblich gefärbt, wohingegen Transsudate eher klar, allenfalls leicht gelblich erscheinen. Zurück zu führen ist die unterschiedliche Färbung auf die variierenden Hauptbestandteile der beiden Sekretarten. Sind in exsudatem Wundwasser noch zahlreiche Blutbestandteile (z.B. Eiweiß oder Glukose) und ein hoher Anteil eitriger Zelltrümmer vorhanden, ist transsudates Wundwasser eher zellarm und weist nur geringe Mengen an Proteinen und Leukozyten auf. Darüber hinaus sind auch Bindegewebsflüssigkeiten, Blutplasma und Proteine ein essenzieller Bestandteil von Wundwasser und machen in Abhängigkeit von der Art der Sekrete einen unterschiedlich hohen Anteil in der Wundflüssigkeit aus.
Je nachdem welche Arten von Wundwasser fließen, ist bei der ersten Phase der Wundheilung von einer Exsudation oder Transsudation die Rede. Im Verlauf beider Phasen, werden durch den Austritt von Wundflüssigkeit zunächst schädliche Fremdkörper und Keime aus der Wunde gespült. Im zweiten Schritt der Wundheilungsphase setzt dann die Schließung der Wunde mittels Zellneubildung ein. Hierfür reifen die Monozyten des Wundwassers zu Makrophagen heran, welche die letzten Zellrückstände der Wunde entfernen und somit den Weg für die Fibrolasten des Bindegewebes frei räumen. Diese sind zum Aufbau der neuen Zellmatrix unerlässlich und benötigen für ihre Entwicklung zu zellbildenen Fibrozyten ein dauerhaft feuchtes Wundmilieu. Wundsekret ist demnach nicht nur zur Reinigung von Wunden, sondern auch zur Wundschließung zwingend notwendig.
Austritt von Wundwasser nach einer Operation:
Wie soeben geschildert, ist in den ersten Tagen der Wundheilung eine gewisse Grundfeuchte durch Wundwasser an verletzten Körperstellen völlig normal. Dies gilt auch für Operationswunden, denn wie Unfallverletzungen stellen sie eine unnatürliche Beschädigung des Körpergewebes dar. Hält der Austritt von Wundwasser nach einer OP jedoch länger an oder ist unnatürlich stark, so kann dies folgende Komplikationen zur Ursache haben:
große Wunden: Operationswunden bedeuten in der Regel eine temporäre Verletzung von langsam heilendem Weichgewebe, wie etwa Blutgefäßen, Organen oder flüssigkeitsführendem Gewebe. Ihre Wundheilung kann im Gegensatz zu oberflächlichen Verletzungen der Hautschichten sehr langwierig verlaufen und dafür sorgen, dass transsudate wie exsudate Wundsekrete länger fließen als üblich. Sofern eine operative Wunde darüber hinaus auch noch besonders umfangreich ist, muss mit einem erhöhten und auch länger anhaltenden Austritt von Wundwasser gerechnet werden.
komplexe Wunden: Solange nur die oberen Gewebeschichten der Haut von einer Verletzung betroffen sind, verheilen Wunden erfahrungsgemäß schnell. Nicht so bei Operationswunden, denn hier müssen für gewöhnlich mehrere Gewebeschichten, manchmal sogar Organe gezielt geöffnet werden, was nicht nur das Ausmaß, sondern auch die Komplexität der Wunde vergrößert. Für die Wundheilung benötigtes Wundsekret hat deshalb eine deutlich schwerere Aufgabe, gilt es neben der verletzten Oberhautschicht doch auch tiefer gelegenes Gewebe wiederherzustellen. Besonders lange kann Wundwasser dabei fließen, wenn vorangegangene Unfälle das zu operierende Gewebe vorgeschädigt haben, oder die OP sensible Gefäße bzw. Organe im Fokus hatte.
sensible Gefäß- und Organwunden: Blutgefäße, insbesondere im Bereich der Beine und des Herzens, sind in Sachen Operation ein heikles Thema, denn sie unterliegen einem dauerhaften Blutfluss, der zur beschleunigten Wundheilung nur bedingt eingeschränkt werden kann. Gerade kleinere Blutpartikel wie Blutplasma fließen deshalb selbst nach grober Schließung der Gefäße weiterhin aus der Wunde. Ähnlich verhält es sich mit Operationswunden im Bereich der Organe. Ein gutes Beispiel sind dabei Lungenoperationen, welche immer wieder zur vermehrten Einlagerung von transsudatem Wundwasser in den Lungenflügeln führen.
enorme Druckverhältnisse: Stehen operative Wunden unter einem besonderen Gefäß- oder Gewebedruck ist das vermehrte Fließen von Wundwasser ebenfalls nicht ausgeschlossen. Abermals sind hier Organ- und Gefäßwunden zu nennen, die durch austretende Blut- und Gewebeflüssigkeiten Wundsekrete nach außen drängen.
Wundinfektionen: Äußerst bedenklich ist ein nicht enden wollender Austritt von Wundsekret bei verunreinigten Wunden. Hier kann sich die Wundheilung kaum vollziehen, da die hohe Keimbelastung eine Neubildung der Zellmatrix verhindert. Die Folge ist ein stetes Fließen von exsudatem Wundwasser mit immer währender Neuinfektion der Wunde. Zustande kommen kann eine entsprechende Wundinfektion beispielsweise durch nicht steriles Operationsbesteck oder unzureichend desinfizierte Wundflächen. Die Gefahr einer Blutvergiftung (Sepsis) ist in diesem Fall äußerst groß.
Behandlung bei Austritt von Wundsekret nach einer OP
Je nach Menge und Art der abgesonderten Wundflüssigkeit kann es nach einer Operation notwendig werden, die Sekrete durch medizinische Maßnahmen abzuführen. Zur Auswahl stehen in diesem Zusammenhang innere Drainagen, welche das Wundwasser mittels operativem Kurzschluss in nahe gelegene Hohlorgane (z.B. Magen, Darm oder Speiseröhre) ableiten, oder äußere Drainagen, durch die das Wundsekret unter Verwendung eines künstlichen Hohlraums aus dem Körperinneren nach außen fließen kann. Da äußere Drainagen aufgrund geringer Komplikationsrisiken heutzutage wesentlich häufiger im Gebrauch sind, geben wir Ihnen nachstehend einen Überblick zu den wichtigsten Drainageformen:
- Redon-Drainage – Die Redon-Drainage ist die wohl am häufigsten angewandte Drainage innerhalb der Unfallchirurgie. Sie ist der Medizin bereits seit fast 60 Jahren geläufig und wurde von dem französischen Arzt Henry Redon erfunden. Um Wundwasser abzuleiten nutzt die Redon-Drainage den durch Unterdruck erzeugten Sog eines externen Auffangbehälters. Das Vorgehen garantiert zum einen ein schnelleres Abfließen der Wundflüssigkeit, zum anderen ziehen sich die Wundflächen dank des Unterdrucks zusammen und erlauben so eine schnellere Wundheilung. Insgesamt dauert diese Form der Wunddrainage maximal 72 Stunden. Die Methode ist Standardpraxis bei Wunden im Unterhautfettgewebe und in Gelenken.
- Shirley-Drainage – Bei Wunden im Bauchbereich verwendet die Medizin vorrangig die sogenannte Shirley-Drainage. Auch hier wird mit einem Sog gearbeitet und das Wundwasser nach dem Unterdruckverfahren abgeleitet. Besonders bewährt hat sich die Shirley-Methode in der Abführung exsudanter Wundflüssigkeit, da sie selbst größere Eiteransammlungen zuverlässig aus Wunden transferiert.
- Kapillar-Drainage – Bei kleineren Wunden, welche sich nahe der Hautoberfläche befinden, wenden die meisten Ärzte die Kapillar-Drainage an. Anstelle eines unterdruckbetriebenen Schlauches leitet hier ein Kunststoffrohr die Wundsekrete nach dem Kapillareffekt nach außen. Dies bedeutet, dass die Oberflächenspannung der Wundflüssigkeit ausreicht, um sie eigenständig aus der Wunde und durch das Kunststoffrohr fließen zu lassen.
- T-Drainage und Pankreasdrainage – Pankreas- und T-Drainagen sind sehr spezielle Formen des Drainierens und funktionieren nach dem gleichen Prinzip. Beide Methoden werden standardmäßig verwendet, um Sekretstaus im Bereich der Galle oder Pankreas abzuführen. Als Leitungssystem dient hier ein t-förmiges Rohr, dessen kurze Seitenschenkel unter der Bauchdecke eingenäht werden. Durch die mittige Öffnung fließt die angestaute Flüssigkeit dann über den langen Rohrschenkel in einen Auffangbehälter.
- Robinsondrainage – Nach dem Schwerkraftprinzip funktionierend, zeichnet sich die Robinsondrainage durch ein in sich geschlossenes System aus. Es wird im Abdominalbereich direkt in den Bauchraum eingesetzt und befördert Wundwasser über einen Ablaufstutzen in einen tragbaren Katheter. Dieser muss natürlich tiefer liegen als die Wunde selbst, damit entsprechende Sekrete selbstständig nach unten fließen können.
Wundsekretaustritt nach OP – wann zum Arzt?
Oftmals stehen Operationspatienten nach dem Eingriff ohnehin für einige Zeit unter klinischer Beobachtung. Ungewöhnliche Absonderungen von Wundwasser werden somit meist noch vor Ort entdeckt. Es gibt jedoch Fälle, in denen der Austritt von Wundsekreten erst Tage bis Wochen nach der OP einsetzt. Hier sollten Sie ungeachtet der Umstände einen Arzt aufsuchen, vor allem wenn es sich um exsudante Sekrete handelt.
Fazit
Grundsätzlich ist der Austritt von Wundwasser bei Operationswunden normal. Die Sekretbildung ist Teil der natürlichen Wundheilung und beschleunigt diese sogar. Bei Wundkomplikationen bezüglich Wundgröße oder -lage, sowie keimbelasteten Wunden kann die Bildung von Wundflüssigkeit jedoch Überhand nehmen und gefährliche Auswirkungen auf den Heilungsprozess haben. Sofern Wundsekrete also selbst nach mehreren Tagen noch ungehindert fließen oder zunehmend eitrige Beimengungen offenbaren, ist daher unverzüglich ein Arztbesuch zu tätigen, um den Sekretfluss ggf. durch eine Drainage in den Griff zu bekommen.