Krankheiten sind unser ständiger Begleiter. Husten, Schnupfen, Fieber und Kopfschmerzen sind meist Anzeichen für Atemwegsinfekte oder können eine Virusgrippe ankündigen. Eine Erkrankung, aus der man inzwischen genauso selten ein Tabu macht wie aus dem Bandscheibenvorfall oder aus einer Magen-Darm-Grippe. Im Alltag begegnen Ihnen als Patient aber auch Krankheiten, über die man sein Umfeld lieber im Unklaren lässt.
Diese Tabu-Krankheiten werden stattdessen einfach unter den Tisch gekehrt. Aus Scham vor der Reaktion von Bekannten oder Kollegen verschwinden sie still und heimlich unterm Teppich. Dabei kann ein Umgang mit dem eigenen Leiden, der von Schamgefühl und Angst geprägt ist, das Problem vergrößern.
Neben dem eigentlichen Leidensdruck durch Schmerzen oder die Nebenwirkungen der Medikamente nimmt die psychische Last bei Betroffenen zu. Flatulenz – also Blähungen – oder Hämorrhoiden gehören genauso dazu wie krankhaftes Schwitzen, Hautekzeme und vieles mehr. Dabei zeigt die Medizin eine klar und deutlich: Tabu-Krankheiten bzw. Erkrankungen, die man als Patient dazu macht, haben das Potenzial als Auslöser für psychische Störungen in Frage zu kommen.
Depressionen werden heute oft mit Stress am Arbeitsplatz oder in der Familie in Verbindung. Dabei wissen Ärzte, dass auch verschiedene Krankheitsbilder Ursache dieser Störung sein können. Die Angst, von anderen ausgegrenzt oder „schief“ angesehen zu werden, setzt hier eine Spirale in Gang. Es kann letzten Endes sogar zur gegenseitigen Einflussnahme der Erkrankungen kommen. Eine Übersichtsarbeit kommt beispielsweise zu dem Ergebnis, dass die Komorbidität zwischen körperlichen und seelischen Leiden zu höheren Sterberisiken führen kann.
Flatulenz und chronische Magen-Darm-Beschwerden
Eine der häufigen Tabu-Krankheiten, die sicher auch Sie kennen und mit der man aber lieber nicht an die Öffentlichkeit geht, betrifft den Magen-Darm-Trakt. Üble Gerüche und Geräusche sind meist eindeutige Anzeichen für Flatulenz bzw. Blähungen. Auch wenn sie stören – das rektale Entweichung überschüssiger Gase aus dem Darm ist eigentlich nicht ungewöhnlich.
Häufig liegt der vermehrten Bildung der Gase einfach etwas am Vortag Gegessenes zugrunde oder man pflegt einen falschen Ernährungsstil. Speziell Hülsenfrüchte – aber auch Kohl oder Zwiebeln – begünstigen die Gasbildung und führen damit zu Blähungen. Es reicht mitunter schon eine Umstellung der Ernährung – und die Blähungen haben ein Ende. Parallel kann Flatulenz durch andere Erkrankungen begünstigt werden.
Nahrungsmittelunverträglichkeiten wie die Laktoseintoleranz oder eine Milcheiweißallergie gehen beim Verzehr der betreffenden Nahrungsmittel nicht selten mit Flatulenz einher. Erschwerend kommt hier hinzu, dass die Intoleranzen durch osmotische Prozesse zu Durchfällen führen können. Symptome, die wir schnell als unangenehm empfinden und vor unserer Umwelt lieber verstecken.
Blähungen/Flatulenz können entstehen durch:
- verschiedene Lebensmittel
- Infektionen
- Tumorerkrankungen
- Arzneimittelnebenwirkungen
- Stress und psychische Faktoren.
Einem hohen Leidensdruck sehen sich Betroffene ausgesetzt, die unter chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen leiden. Eines dieser Beispiele ist Colitis ulcerosa. Hierbei kommt es während aktiver Schübe zu blutigem Durchfall und zwanghaftem Stuhlgang. Ähnlich tritt Morbus Crohn in Erscheinung. Hier wird problematisch, dass die Darmerkrankung sich laut eines Artikels auf ndr.de auch außerhalb des Organs manifestieren kann – etwa im Rahmen einer Rosazea.
Flatulenz, Durchfall und Stuhlinkontinenz – alles, was unseren Darm unbeabsichtigt verlässt, hat das Potenzial für einen hohen Peinlichkeitsfaktor. Schließlich ist das „Pupsen“ nach wie vor ein Tabu. Und auch unkontrollierter Stuhlabgang wird häufig mit Verwahrlosung oder einem Mangel an Hygiene in Verbindung gebracht. Dabei handelt es sich manchmal um einen natürlichen Vorgang oder in einigen Fällen um behandelbare Erkrankungen. Auch wenn sich deren eigentliche Ursache nicht therapieren lässt, so besteht zumindest eine Aussicht auf die Linderung der Symptome. Kennen Sie einen Betroffenen, stärken Sie ihm am besten den Rücken – und mindern so den ohnehin schon hohen Leidensdruck.
Hyperhidrose – starkes Schwitzen als Ursache für Peinlichkeiten
Geben Sie Mitmenschen nur ungern die Hand? Vielleicht sind es gerade bei Ihnen die umgangssprachlich mit einem Makel behafteten Schweißhände. Aber auch an den Fußsohlen kann es – wie an anderen Körperstellen – zu einer vermehrten Schweißproduktion kommen. Die Medizin spricht in diesem Fall von der Hyperhidrose.
Dabei kommt es ohne einen entsprechenden äußeren Reiz zur erhöhten Schweißproduktion – besonders an den Handflächen und im Bereich der Fußsohlen. Achselhöhlen und Stirn sind seltener von der Hyperhidrose betroffen. Das Problem: Für die Wahrnehmung des Ausmaßes ist das subjektive Empfinden mit ausschlaggebend. Aus medizinischer Sicht lässt sich dieses Krankheitsbild daher für Sie als Patient nicht immer zufriedenstellend erfassen.
Erst ab einer Schweißproduktion von 100 mg in der Achselhöhle pro fünf Minuten spricht die Medizin von Hyperhidrose. Im sozialen Umfeld sind die „Schweißhände“ häufig ein Problem. Kollegen oder Kunden empfinden das starke Schwitzen nicht selten als unangenehm, die Hyperhidrose kann damit zum sozialen Makel werden. Dabei können die Betroffenen meist wenig für ihre Erkrankung – und leiden entsprechen unter der Schweißproduktion.
- Soziale Angst
- Unsicherheit im Umgang mit anderen
- oder Depressionen
können die Folge sein. Laut der Uni Heidelberg zeigen Untersuchungen, dass sich als Folge der Hyperhidrose sogar soziale Phobien entwickeln können, die zur Abgrenzung von der Außenwelt führen. Dabei ist selbst der Medizin nur bedingt klar, was zur Hyperhidrose führt. Ein Teil der Erkrankungen kann mit anderen Krankheitsbildern, wie:
- Infekten
- Hormonstörungen
- Übergewicht
- psychischen Problemen oder
- Tumorerkrankungen (Stichwort Nachtschweiß)
in Verbindung gebracht werden. Diese sekundäre Hyperhidrose hat die Chance, nach einer Behandlung der Grunderkrankung abzuklingen. Bei der primären Variante, einer angeborenen Hyperhidrose, sieht die Situation anders aus. In Bezug auf die Ursachen und Auslöser ist bisher wenig bekannt. Behandelt werden kann die Hyperhidrose laut Informationen auf laxelle.de auf verschiedenen Wegen (in Abhängigkeit der Ausprägung) – und zwar durch:
- Antitranspirantien
- Botulinumtoxin
- Schweißdrüsenentfernung
- endoskopischen transthorakalen Sympathektomie.
Dyshidrosis – Leidensdruck durch Blasen an den Händen
Die Haut ist der Spiegel unserer Seele. Sicher haben Sie dieses Credo auch schon gehört. Allerdings lässt sich dessen Bedeutung in gewisser Weise umkehren: Ist unsere Haut krank, kann dies auch der Seele schaden. Besonders für die Umwelt sichtbare Hautregionen können uns krankmachen. Hautkrankheiten wie das dyshidrotische Ekzem gehören dazu.
Abseits des Juckreizes und der Schmerzen, welche durch die im Verlauf der Erkrankung entstehenden Rhagaden zur Belastung werden, erhöhen die sichtbaren Anzeichen der Dyshidrosis den psychischen Leidensdruck. Oder geben Sie Ihrem Gegenüber gern die Hand, wenn auf dessen Handfläche mit Flüssigkeit gefüllte Blasen und tiefe Risse in der Haut zu sehen sind?
Das klinische Bild der Dyshidrosis ist vor allem durch die Bildung wassergefüllter Bläschen (bis mehrere Millimetern Größe) geprägt, die stark jucken können. Bei einer schweren Verlaufsform können die Blasen platzen, nässen und machen den Weg für bakterielle Infektionen frei. Selbst wenn die Blasen abzuheilen beginnen, ist das Leiden noch nicht vorbei. Nicht selten beginnen sich betroffene Hautstellen zu schuppen – bis zur Bildung der Rhagaden.
Als Betroffener ist die Dyshidrosis eine körperliche und seelische Belastung. Speziell während schwerer akuter Schübe droht die Ausgrenzung durch andere. Obwohl nicht ansteckend, sind die sichtbaren Symptome eines der Probleme im Alltag. Zumal die Entstehung der Dyshidrosis auch der Medizin nicht ganz klar ist. Neben Stress kann:
- eine Kontaktallergie
- Atopie
- Pilzinfektion oder
- Unverträglichkeit
das Auftreten begünstigen. Entsprechend schwierig ist eine Behandlung der oft schubweise auftretenden Erkrankung, die vor allem auf Cremes (u. a. mit Glukokortikoiden) setzt.
Psychische Leiden und soziale Unsicherheit
Körperliche Leiden wie Dyshidrosis, Hyperhidrose, Ekzeme oder Flatulenz fallen im Alltag nicht jedem Gegenüber auf. Psychische Störungen wie das Tourette-Syndrom oder Zwangsstörungen können eine ganz andere Qualität im Hinblick auf den Leidensdruck erreichen. Besonders Erkrankungen, die von sogenannten Ticks (Tics in der korrekten Schreibweise) begleitet werden, sind für Umwelt und Betroffene eine Belastung.
Ein Tic kann dabei ganz verschiedene Ausprägungen annehmen und reicht von unauffälligen Bewegungen (Zwinkern, Anheben der Augenbrauen) über komplexe Bewegungen bis zu teils vulgären Lautäußerungen (Koprolalie). Die Ursachen sind selten seelische Störungen, sondern neurologische Defekte. Aufgrund dieser Tatsache ist eine Behandlung im Rahmen der Psychotherapie selten erfolgreich. Besonders schwere Fälle werden heute medikamentös mit Neuroleptika behandelt.
Zur Herausforderung beim Vorliegen des Tourette-Syndroms kann das Auftreten weiterer Störungen (Komorbidität) werden. Für eine eher milde Ausprägung der Tics, die im Kindesalter auftritt, sind die Prognosen gut. Hier hat die Medizin in der Vergangenheit erkannt, dass die Krankheitszeichen im weiteren Verlauf zurückgehen können. Schwieriger ist die Situation bei der Vollausprägung des Tourette-Syndroms. Tics und Zwangsstörungen bis hin zur Selbstverletzung halten bis ins höhere Alter an. Am Arbeitsplatz oder im Alltag eine belastende Situation. Gerade vokale Tics verunsichern Betroffene, Dritte oder Sie als Angehörigen.
Es kommt schnell zu Ausgrenzung und Isolierung der Patienten durch die Umwelt. Dies ist besonders der Fall, wenn sich Tics in obszönen Gesten oder Äußerungen zeigen. Es kann hier sogar vorkommen, dass Dritte mit körperlicher Gewalt auf Betroffene reagieren.
Was können Betroffene im Umgang mit ihrem Umfeld tun?
Der Leidensdruck, den die beschriebenen Krankheiten auslösen, hat in der Regel zwei Seiten. Zum einen erschweren die eigentlichen Symptome Ihren Alltag als Patient. Auf der anderen Seite ist es das soziale Umfeld, welches als Erschwernis hinzukommt. Wie sollte man mit Hyperhidrose, Flatulenz oder Tics umgehen?
Zum einen wäre es durchaus empfehlenswert, trotz Erkrankung an einem „gesunden“ Selbstverständnis für die eigene Person und den Körper festzuhalten. Leider ist dieses Ziel angesichts der teils offen zum Ausdruck gebrachten Ausgrenzung alles andere als leicht. Um der sozialen Unsicherheit zu begegnen, ist ein offensiver Umgang mit der Krankheit als Weg durchaus in Betracht zu ziehen.
Aufklärung von Freunden und Arbeitskollegen über die Krankheit und deren Symptome kann dabei helfen, zu Normalität zurückzukehren. Ein Schritt, der auch beim Überwinden sozialer Unsicherheit hilft. Zumal die Aufklärung gerade im Fall der Koprolalie oft das einzige Mittel zum Verhindern der sozialen Ausgrenzung ist. Andernfalls sind Betroffene schnell mit einer feindseligen Haltung ihres Umfelds konfrontiert, da Obszönitäten in der Öffentlichkeit schnell als Beleidigung oder persönlicher Angriff verstanden werden.
Fazit: Soziale Ausgrenzung aktiv durchbrechen
Krankheiten können in die soziale Isolation führen. Dies gilt besonders für jene Erkrankungen, die unser Schamgefühl berühren, vermeintliche Tabus brechen oder so gravierende Reaktionen hervorrufen, dass wir uns persönlich angegriffen fühlen. Für Patienten oder Sie als Angehörige eine belastende Situation. Schnell zieht man sich zurück, entwickelte soziale Phobien – es kommt neben dem körperlichen Leiden zu sozialer Ausgrenzung. Ein Kreislauf, der sich durchbrechen lässt. Gerade Störungen, die nicht ohne weiteres behandelbar sind, sollten nicht einfach unter den Teppich gekehrt werden. In der folgenden Tabelle werden die wichtigsten Erkrankungen noch einmal aufgezeigt:
Erkrankung | Symptom | Behandlung | Ursache |
---|---|---|---|
Blähungen / Flatulenz / Durchfall | Abgang Gase, wässeriger Stuhl (mit Blut), Unwohlsein, Bauchschmerzen usw. | Ernährungsumstellung, medikamentöse Therapie, Operationen | Lebensmittel, entzündliche Darm-Erkrankung, Infektionen usw. |
Hyperhidrose | starkes Schwitzen (primär Hände und Fußsohlen) | medikamentös (u.a. Antitranspirantien), operative Therapie | sekundäres Krankheitszeichen, angeborene Hyper-hidrosis |
Dyshidrosis | Bläschen an Händen und Füßen, Schuppung, Rhagaden (Risse) | Cremes (Glukokortikoide, Zink, Gerbstoffe), Vermeidung übermäßigen Waschens, Vermeidung von Kontaktallergenen | keine klare Ursachenlokalisation, möglicherweise: Stress, Allergene, Atopien usw. |
Tourette-Syndrom | Tics (unauffällige Gesten bis zur Koprolalie) | medikamentös / chirugisch (DBS), Psychotherapie (u.a. zur Steigerung des Selbstwertgefühls | neurologische Defekte |
Wo mit den Symptomen wie Tics offen umgegangen und das Umfeld aufgeklärt wird, machen schnell Verständnis und ein normaler Umgang der abwehrenden Haltung Platz. Darüber hinaus hat eine psychotherapeutische Behandlung das Potenzial zu einer neuen Sicht auf den Körper und die Erkrankung zu verhelfen.