Schultersteife und Schulterschmerz müssen nicht zwingend von einer Verspannung herrühren. Ebenso kann ein Impingement- oder Schulter-Arm-Syndrom vorliegen. Etwa 10 Prozent der Bevölkerung leidet hierzulande unter diesem Syndrom, das einen schmerzhaften Symptomkomplex beschreibt, der durch eine Engstelle zwischen dem Oberarmkopf und dem Schulterdach entsteht. Welche Ursachen für einen derartigen Engpass zwischen Schulter und Oberarm in Frage kommen und was Betroffene zur Behandlung bei Schulter-Arm-Syndrom unternehmen können, verraten wir Ihnen in diesem Beitrag.
Entstehung eines Schulter-Arm-Syndroms
Die Knochenstruktur im und um das Schultergelenk (Articulatio humeri) hat einen äußerst komplexen Aufbau. Das Schultergelenk selbst setzt sich aus dem Oberarmkopf (Caput humeri), dem Schulterblatt (Scapula) und der Schulterblattgelenkpfanne (Cavitas glenoidalis) zusammen. Geht es um die Entstehung eines Schulter-Arm-Syndroms, spielt darüber hinaus aber auch das Schulterdach (Fornix humeri) eine entscheidende Rolle. Es liegt über dem Schulterblatt lokalisiert, wo es eine Art Endfortsatz des Schlüsselbeins (Klavikula) bildet. Wichtige Elemente des Schulterdachs sind die Schulterhöhe (Akromion), welche den Knochenvorsprung der Schulter bildet, der Rabenschnabelfortsatz (Proceccus coracoideus), welcher als Knochenfortsatz des Schulterblatts fungiert, und das dreieckförmige Rabenschnabel-Schulterhöhen-Band (Ligamentum coracoacromiale), welches zwischen Rabenschnabelfortsatz, Schulterhöhe und Schulterblatt gespannt ist.
Die besondere Nähe des Schulterdachs und Schlüsselbeins zur Halswirbelsäule (HWS) ist häufig der Grund für ein Schulter-Arm-Syndrom. Zwischen den drei Knochenelementen befinden sich nämlich eine Reihe empfindlicher Muskel-, Bänder- und Sehnenstrukturen, darunter die zur Schulterbewegung unverzichtbare Rotatorenmanschette. Im Falle einer Reizung oder Verletzung verändern sich besagte Strukturen sehr schnell durch raumfordernde Schwellungen oder Verschiebungen. Beim Schulter-Arm-Syndrom kommt es im Zuge dieser Veränderungen zu einer Einengung des Subakromialraums. Dieser befindet sich zwischen Schulterdach und Schultergelenk und beherbergt neben den Sehnen und Muskeln der Rotatorenmanschette auch die Schleimbeutel des Schultergelenks. Der Engpass führt in Folge zu einem Zusammenstoß (engl.: Impingement) zwischen den Weichteilen im Subakromialraum und dem Schulterdach. Weil besagtes Impingement als Urheber sämtlicher Symptome bei Schulter-Arm-Syndrom gilt, ist das Syndrom auch als Impingement-Syndrom bekannt. Zu unterscheiden ist diesbezüglich zwischen zwei Syndrom-Formen:
- primäres Schulter-Arm-Syndrom – die Ursachen für das Impingement-Syndrom liegen im Subakromialraum oder dem Schultergelenk selbst begründet
- sekundäres Schulter-Arm-Syndrom – die Ursachen, die zum Impingement führen, haben ihren Ursprung in außerhalb gelegenen Funktionsstörungen (z.B. Störungen im Bereich der HWS)
Ursachen für ein Schulter-Arm-Syndrom
Wie bereits aufgezeigt, können die Auslöser eines Impingement- oder Schulter-Arm-Syndroms an Verschiedenen Stellen des Oberkörpers ihren Ursprung haben. Sehr häufig sind bestehende Entzündungen, Verschleißerscheinungen oder Fehlbildungen der Schulter bzw. Halswirbelsäule als Ursache für das Syndrom auszumachen. Einzelheiten hierzu finden Sie in der nachstehenden Übersicht:
- Erkrankungen der Schulter: Entzündungen der Rotatorenmanschette, Schulternerven oder der schultereigenen Schleimbeutel führen immer zu einem primären Schulter-Arm-Syndrom. Ebenso kann das Syndrom durch eine geneigte bzw. hakenförmige Schulterdachform, Arthroseerkrankungen zwischen Schlüsselbein und Schulterdach und Kalkeinlagerungen in den Sehnen und Muskeln der Schulter ausgelöst werden.
- Erkrankungen der Halswirbelsäule: Im Bereich der HWS gibt es eine Vielzahl an möglichen Funktionsstörungen, die zu einem sekundären Schulter-Arm-Syndrom führen können. In Frage kommen zum Beispiel Bandscheibenvorfälle, ein Schleudertrauma oder degenerative Veränderungen der Halswirbelsäule (z.B. Spondylose oder Arthrose). Des Weiteren lassen sich an der HWS lokalisierte Tumoren, Nervenentzündungen und muskuläre Dysbalancen, wie etwa die Muskelatrophie nicht als Ursache für das Impingement im Subakromialraum ausschließen.
- Verletzungen der Schulter oder Halswirbelsäule: Rupturen, Zerrungen sowie Muskel- und Sehnenrisse sind als Auslöser des Schulter-Arm-Syndroms ebenfalls denkbar. Sie entstehen überwiegend durch Unfälle bei armlastigen Sportarten wie Tennis oder Volleyball. Darüber hinaus zählen zu den Risikogruppen bei Schulter-Arm-Syndrom Personen, die beruflich viel Überkopf arbeiten, so zum Beispiel Handwerker, Bauarbeiter oder Maler. Je nachdem, ob sich Verletzungen hier im Bereich der Schulter oder HWS ereignen, kann es zu einem primären oder sekundären Schulter-Arm-Syndrom kommen. Außerdem sind die genannten Risikotätigkeiten dafür bekannt, neben Verletzungen auch anhaltende Muskel-, Nerven- und Sehnenreizungen auszulösen. Ein chronisches Impingement im Subakromialraum, das sich schleichend entwickelt und zu bleibenden Verformungen oder Verschleißerscheinungen führt, ist hier durchaus möglich.
Symptome bei Schulter-Arm-Syndrom
Das eindeutigste Anzeichen für ein Impingement im Subakromialraum sind starke Schmerzen im Bereich der Schulter. Der Schulterschmerz tritt zunächst nur unter Belastung auf, kann später aber auch im Ruhezustand weiterbestehen. Ihren Ursprung haben die bewegungseinschränkenden Schmerzsymptome je nach Ursache entweder in der Halswirbelsäule oder Schulter, wobei beide Schmerzvarianten vom Patienten als Schulterschmerz empfunden werden. Ist die HWS als Schmerzzentrum gegeben, spricht man auch von der sogenannten Cervicobrachialgie. Darunter versteht man einen von der Halswirbelsäule ausgehenden Schmerz, der bis in den Arm ausstrahlt und sich deshalb wie Schulterschmerz anfühlt. Zusätzlich zum Schmerz sind bei einem Schulter-Arm-Syndrom auch Schultersteife und Gelenkgeräusche bei Bewegung üblich. Alles in Allem müssen Patienten bei diesem Syndrom mit folgenden Symptomen rechnen:
- Schulterschmerz
- Cervicobrachialgie
- Bewegungseinschränkungen
- Schultersteife
- Gelenkgeräusche im Bereich der Schulter
- Entzündungen der Sehnen und Schleimbeutel der Schulter
Diagnose und Behandlung bei Schulter-Arm-Syndrom
Symptome wie Schultersteife oder Schulterschmerzen sind leider oft keine eindeutigen Hinweise auf ein Schulter-Arm-Syndrom. Eine ausführliche Anamnese kann aber dennoch wichtige Anhaltspunkte liefern. Angaben zur Berufstätigkeit, Sportgewohnheiten sowie bestehenden Vorerkrankungen der Schulter oder HWS erhärten hier sehr schnell einen anfänglichen Verdacht. Um das Syndrom zweifelsfrei festzustellen und abzuschätzen, wie weit das Krankheitsbild schon fortgeschritten ist, muss der behandelnde Arzt anschließend bildgebende Verfahren wie Ultraschall, Röntgen oder MRT anwenden. Hierdurch lassen sich auch ernste Begleitsymptome und mögliche Ursachen wie Entzündungen, Knochenveränderungen oder Verletzungen entdecken. Die Behandlung eines Impingement-Syndroms gestaltet sich nach erfolgreicher Diagnose wie folgt:
- Schonung und Kühlung: Solange sich das Syndrom noch im Frühstadium befindet, sind konservative Behandlungsmethoden oftmals ausreichend. Oberstes Gebot sind dann eine ausreichende Schonung und Kühlung (z.B. durch Kryotherapie oder Coolpacks) der betroffenen Schulterpartie. Die Bewegungspause ist wichtig, um weitere Gewebereizungen im Subakromialraum zu verhindern. Der Kälteeinfluss unterschützt geschwollene Weichteile ergänzend bei der Rückbildung.
- Medikamente: Sollten die Schmerzen in der Schulter sehr stark sein und auch im Ruhezustand weiterbestehen, ist die Gabe von Schmerzmitteln wie Tramadol, Ibuprofen oder Diclofenac allgemein üblich. Ebenso können Muskelrelaxantien und entzündungshemmende Wirkstoffe zur Anwendung kommen. Vor Kortison sei an dieser Stelle gewarnt, denn dieses wirkt zwar schmerzstillend und entzündungshemmend, macht gleichzeitig aber auch Bänder und Sehnen porös. Es wird daher empfohlen, Kortison nur dann zu nutzen, wenn alle anderen medikamentösen Behandlungsversuche erfolglos blieben.
- Massagen, Akupunktur und Akupressur: Ob fernöstliche Behandlungsmaßnahmen wie Akupunktur und Akupressur tatsächlich heilend auf ein Schulter-Arm-Syndrom wirken, konnte bislang noch nicht eindeutig geklärt werden. Allerdings berichten viele Patienten über einen positiven Effekt auf ihr Schmerzempfinden. Abzuraten ist von Akupunktur und Akupressur allerdings bei schweren Erkrankungen oder Verletzungen der Halswirbelsäule. Auch Massagen sollten bei Vorerkrankungen der HWS nur von einem Profi ausgeführt werden.
- Stoßwellentherapie: Bei Verkalkungen der Schulter raten Ärzte oft zu einer Stoßwellentherapie. Sie ist imstande Kalkablagerungen durch gezielte Stoßwellen aus dem Schultergelenk zu lösen. Auch andere Ursachen für ein Impingement im Schulterbreich sprechen gut auf diese Therapiemethode an. Es sei aber erwähnt, dass Stoßwellentherapien sehr schmerzhaft sein können und von den gesetzlichen Krankenkassen bislang nicht bezahlt werden.
- chirurgische Behandlung: Im fortgeschrittenen Stadium und bei bestimmten Ursachen (z.B. Fehlbildungen am Schulterdach oder irreparablen Verschleißerscheinungen) lässt sich das Syndrom oft nur noch durch einen operativen Eingriff beheben. Dabei kann entweder entzündliches bzw. verformtes Gewebe abgetragen oder ein stark beschädigtes Schultergelenk durch eine Prothese ersetzt werden. Letzteres ist zum Beispiel notwendig, wenn eine Schulterarthrose die schultereigenen Gelenke und Knochen sehr schwer beschädigt hat. Auch Bandscheibenvorfälle oder schwere Erkrankungen der HWS erfordern ggf. eine Operation.
- Physiotherapie: Damit das Schultergelenk seine alte Bewegungskraft zurückerlangt, ist zur Nachbehandlung eines Schulter-Arm-Syndroms physiotherapeutische Krankengymnastik wichtig. Dabei müssen die Muskelgruppen der Schulter systematisch und Schritt für Schritt wieder an ihre Normalbelastung gewöhnt werden. Das Hauptaugenmerk der physiotherapeutischen Behandlung liegt hier auf den Muskeln der Rotatorenmanschette. Ebenso muss die hintere Schulter im Training gestärkt werden.
Schulter-Arm-Syndrom – Verlauf, Komplikationen und Prävention
- Der Heilungsverlauf kann bei einem Schulter-Arm-Syndrom je nach Schwere des Syndroms zwischen 1 Woche und 4 Monaten betragen. Bei einer Operation ist das Ausführen leichter Alltagstätigkeiten normalerweise nach 2 bis 3 Tagen wieder möglich. Dabei schreitet die Genesung umso schneller voran, je besser die betroffene Schulter geschont wird.
- Komplikationen entstehen bei Schulter-Arm-Syndrom vor allem im fortgeschrittenen Stadium. Hier sind umfangreiche Entzündungsprozesse, Knochendegenerationen, Gelenkverschleiß sowie Muskel-, Sehnen- und Bänderrisse sehr wahrscheinlich. Das Syndrom sollte darum immer zeitnah behandelt werden, um unerwünschte Spätfolgen zu vermeiden.
- Vorbeugen lässt sich einem Schulter-Arm-Syndrom nur durch schonende Behandlung der Schulter. Armlastige Sportarten sollten immer in moderatem Maße ausgeführt werden. Wer beruflich viel Überkopf arbeitet, dem sind regelmäßige Schulterübungen und eine ausreichende Schonung der Schulter in der Freizeit zu empfehlen. Verletzungen und Erkrankungen der Schulter oder HWS sind frühzeitig ernst zu nehmen und zu therapieren.
Fazit
Das Impingment- oder Schulter-Arm-Syndrom beruht auf einer Verengung im Subakromialraum. Dieser befindet sich zwischen Schulterdach und Schultergelenk und beherbergt verschiedene Muskeln, Sehnen und Bänder sowie die Schleimbeutel der Schulter. Sollten besagte Weichteilstrukturen durch Vorerkrankungen der Schulter oder Halswirbelsäule gereizt werden, schwellen sie an und stoßen gegen das Schulterdach, was schließlich das schmerzhafte Schulter-Arm-Syndrom auslöst. Um das Syndrom zu behandeln, kann es ausreichen, die Schulter für einige Zeit zu schonen und zu kühlen. Schwere Formen erfordern dagegen auch meist die Einnahme von Schmerzmitteln oder gar einen operativen Eingriff. Wer anhaltend über Schulterschmerz klagt, sollte zudem nicht den Fehler machen und auf eine harmlose Verspannung hoffen. Handelt es sich nämlich tatsächlich um ein Impingment im Subakromialraum, kann dies ohne geeignete Therapie zu bleiben Schäden an den Muskel-, Sehnen-, Knochen und Gelenkstrukturen der Schulter führen. Gehen Sie bei dauerhaften Schmerzen im Bereich der Schulter, darum lieber zu früh als zu spät zum Arzt!