Der Begriff „Industrie 4.0“ ist in aller Munde. Teilweise ist diese heute schon Realität, wie die Computerwoche ausführt. An so unterschiedlichen Orten wie dem Hamburger Hafen und den Produktionsstätten von Harley Davidson sorgt die Vernetzung der Dinge untereinander für schnellere Arbeitsabläufe und eine höhere Effektivität.
Doch nicht nur in der Industrie machen sich Maschinen zunehmend selbstständig. Auch in anderen Bereichen der Berufswelt übernehmen Roboter immer wichtigere Rollen. Das gilt auch für Branchen, die lange als weitgehend immun gegen die Automatisierung galten. Doch wie sieht die Sache in der Medizin aus? Wo kommen hier heute bereits Roboter zum Einsatz und welche Auswirkungen könnte dies langfristig haben? Könnten Maschinen Ärzte irgendwann komplett ersetzen? Der folgende Text geht näher auf diese Fragen ein.
Roboter im OP – die besseren Chirurgen?
Roboter im OP-Saal, diese Vorstellung mag auf viele Menschen abwegig wirken. Tatsächlich jedoch ist sie längst Realität, und das nicht erst seit gestern. Der Markt für OP-Computer boomt und die Fähigkeiten von Robotern in der Medizin werden ständig weiterentwickelt. Dabei kommen hochkomplexe Maschinen gerade bei schwierigen und riskanten Operationen zum Einsatz, dann wenn jede falsche Bewegung mit dem Skalpell dazu führen kann, dass der Patient nach dem Eingriff nicht mehr richtig sprechen oder Gliedmaßen nicht mehr bewegen kann.
Roboter übernehmen in solchen und anderen Fällen verschiedene Aufgaben:
- Sie assistieren dem Arzt, indem sie Geräte halten oder ihn dabei unterstützen, medizinische Werkzeuge exakt an der richtigen Stelle anzusetzen.
- Sie schalten Geräte umgehend aus, sobald der Chirurg einen Schnitt falsch ansetzt.
- Sie führen die Operation selbst nach den Befehlen des anwesenden Chirurgen aus.
Bei solchen Tätigkeiten weisen Roboter nach Ansicht ihrer Befürworter eine Reihe von Vorteilen auf:
- Sie sind in der Lage, exakte Bewegungen nach Berechnungen und ohne Zittern auszuführen.
- Sie reagieren im Ernstfall schneller als Menschen.
- Sie ermüden nicht und leiden nicht unter Nervosität oder persönlichen Problemen.
Gerade bei heiklen minimal-invasiven Eingriffen können Roboter die Risiken für den Patienten verringern. Gleichzeitig verkürzen sich damit oftmals Operationen. Das ist schonender für die betroffene Person und spart langfristig Kosten.
Roboter in der Diagnose?
Medizinroboter kommen nicht nur im OP-Saal zur Anwendung, sondern auch bei Diagnoseverfahren. Auch hier sorgen künstliche Superhirne für erstaunliche Ergebnisse. So berichtet das Ärzteblatt von einem Biopsie-Roboter, der Ärzte bei der Prostata-Diagnose unterstützt. Dabei werden zunächst dreidimensionale Bilder aus Bildern vom Ultraschall und von der Magnetresonanztomographie erstellt. Aufgrund dieser Darstellungen und mithilfe des Roboters lässt sich bei der Biopsie die Nadel steuern und gezielt Gewebe entnehmen.
Auch virtuelle Assistenzärzte sind bereits in der Testphase. Diese gleichen das Krankheitsbild eines Patienten blitzschnell mit dem online zur Verfügung stehenden medizinischen Wissen ab und entwickeln daraus eine Diagnose sowie Therapievorschläge. Dazu verstehen diese künstlichen Helfer die menschliche Sprache. Lernfähig sind sie ebenfalls.
In der Entwicklung befindliche steuerbare Roboterkapseln, die Patienten einfach schlucken können, sollen in Zukunft bei der Untersuchung von Magen und Dickdarm helfen. Doch damit nicht genug. Sie sollen auch dazu eingesetzt werden, Medikamente direkt dort im Körper des Patienten freizusetzen, wo diese am besten wirken. Gegebenenfalls könnten sie zum Zweck einer regelmäßigen Medikation sogar einige Zeit im Körper des Patienten bleiben und dort „arbeiten“.
Werden Roboter menschliche Ärzte irgendwann komplett ersetzen?
Viele Menschen betrachten den Bedeutungszuwachs von Robotern mit gemischten Gefühlen. Das gilt für die Medizin besonders. Schließlich geht es hier um die menschliche Gesundheit und manchmal tatsächlich um Leben und Tod.
Dabei stehen vor allem zwei Ängste im Vordergrund:
- Patienten befürchten, dass sie Maschinen in Zukunft hilflos ausgeliefert sind – ob bei der Diagnostik oder im OP-Saal.
- Mediziner dagegen haben Angst, sie könnten zunehmend durch Roboter ersetzt und irgendwann überflüssig werden.
Beide Gruppen können ein Stück weit beruhigt sein. Derzeit ist nicht absehbar, dass Roboter Ärzte in naher Zukunft komplett ersetzen. Dies spiegelt sich auch in den zahlreichen Job-Angeboten für Ärzte wider, wie eine Übersicht auf stepstone.de zeigt.
Gründe dafür sind unter anderem:
- Bei einer Operation müssen oft spontane Entscheidungen von großer Tragweite gefällt werden. Dies können nur erfahrene Ärzte.
- Roboter sind nicht in der Lage, ethische Entscheidungen zu treffen.
- Von Ärzten sind neben Fachwissen Fähigkeiten wie Empathie gefordert. Auch hier stoßen Maschinen an ihre Grenzen.
- Maschinen können zwar Wissen aufnehmen und speichern. Mit Erfahrungen, wie sie kompetente Ärzte besitzen, können sie nicht aufwarten.
Wer heute operiert wird, kann davon ausgehen, dass dabei eine Reihe komplexer technischer Apparaturen zum Einsatz kommt, vielleicht auch ein OP-Roboter. Er kann aber auch darauf vertrauen, dass sich immer mindestens ein Arzt im Zimmer befindet, der die Operation steuert und überwacht. Roboter, die Schnitte vollkommen selbstständig ausführen, haben sich bislang nicht durchgesetzt. Inwiefern sie das in Zukunft tun, bleibt abzuwarten.
Zweifellos führt der vermehrte Einsatz von Maschinen in der Medizin dazu, dass während einer OP weniger Personal anwesend ist. Angesichts der Tatsache, dass schon heute Knappheit an Krankenschwestern beziehungsweise Pflegepersonal herrscht und gerade in diesem Bereich Menschlichkeit gefragt ist, ist die Furcht vor Arbeitslosigkeit auch in dieser Hinsicht derzeit unbegründet.
Welche Chancen liegen in dieser digitalen Revolution?
Schon heute profitiert die Medizin, glaubt man Befürwortern der neuen Technik, vielfach von Robotern. In Zukunft könnte sich das noch verstärken. Die Entwicklungen an der Börse spiegeln jedenfalls ein großes Vertrauen in Medizinroboter wieder, wie Focus Money, berichtet.
Dabei könnten sowohl Ärzte als auch Patienten langfristig erheblich von der Roboter-Revolution profitieren:
- Mehr Präzision, keine Ermüdung oder Nervosität und ein extrem schnelles Reaktionsvermögen – alle diese Eigenschaften von Medizinrobotern sorgen für bessere Ergebnisse bei OPs und minimieren Risiken.
- Schnellere Operationen sind schonender für Arzt und Patienten und sparen auf lange Sicht Kosten und Material.
- Ärzte genießen ein zusätzliches Gefühl von Sicherheit und eine bessere Unterstützung durch moderne Bildverfahren und Assistenten, die mit äußerster Präzision arbeiten.
Moderne Medizinroboter könnten auf lange Sicht auch für gleiche Verhältnisse sorgen. Denn sie arbeiten gleichmäßig auf hohem Niveau, was für Menschen naturgegeben nicht zutrifft.
Zusätzlich könnten Roboter, die bei der alltäglichen Versorgung von Patienten im Krankenhaus oder in Pflegeheimen zum Einsatz kommen, den Mangel an ausgebildetem Personal zumindest ein Stück weit ausgleichen – und so zu mehr Lebensqualität für die Betroffenen beitragen.
Das Potenzial ist groß
Wie auch immer die Zukunft aussieht: Experten sind sich einig: Wir befinden uns derzeit erst am Anfang der „Industrie 4.0“. Das Potenzial, das sich auf Dauer aus dieser Entwicklung schöpfen lässt, ist aktuell nur schwer abzuschätzen, auch innerhalb der Medizin. Unstrittig ist, dass Roboter in Zukunft weiter an Bedeutung gewinnen werden – in Operationssälen, bei der Diagnostik und der Versorgung von Krankenhauspatienten.
Dies könnte die Behandlung von Patienten entscheidend erleichtern und vielleicht sogar neue bahnbrechende Operationsmethoden eröffnen. Dennoch wird die Vorstellung, von Robotern behandelt zu werden, für viele Betroffenen weiterhin mit unangenehmen Gefühlen verbunden sein. Das ist einer von vielen wichtigen Gründen, warum Maschinen Ärzte in absehbarer Zeit nicht ersetzen werden. Stattdessen wird auch hier ein gelungenes Zusammenspiel von Mensch und Roboter ausschlaggebend sein.