Ethisch umstritten und mehr als unausgereift, ist die künstliche Befruchtung neben der experimentellen Genforschung wohl einer der umstrittensten Bereiche der modernen Schulmedizin. Auch die Erfolgschancen der In-vitro-Fertilisation (IVF) waren mit einer Quote von 36 % bislang nicht besonders hoch. Der britische Mediziner Dr. Dagan Wells von der University of Oxford ließ nun aber verlauten, er habe eine verbesserte Methode entwickelt, mit deren Hilfe sich die Erfolgsquote möglicherweise verbessern ließe. Laut eines Artikels von Spiegel Online nutzten Wells und sein Team für ihre Forschungen das sogenannte Next Generation Sequencing (NGS), eine Reihe moderner Verfahren zur Sequenzierung und Analyse des Erbguts eines Embryos. Wenngleich die von Wells erzielten Teilerfolge auf dem Gebiet der Präimplantationsdiagnostik (PID) bessere Quoten versprechen, so ist eine Frage nach wie vor nicht geklärt: Ist es moralisch überhaupt vertretbar, mehrere Fehlversuche bei der IVF in Kauf zu nehmen, nur um mit etwas Glück eine erfolgreiche künstliche Befruchtung zu erzielen?
IVF weiterhin eine Frage der Ethik
Es gibt eine Tatsache, die bei der künstlichen Befruchtung und der damit zusammenhängenden Analyse des im Reagenzglas gezeugten Embryos gar nicht oft genug hervorgehoben werden kann. Beide Vorgänge sind Teil eines Verfahrens, das aus der natürlichen Entstehung von Leben eine Art Retortenprozess macht. Dieser unmoralische Aspekt ist es auch, der bis heute in vielen Teilen der Welt einen Rechtsstreit um die Legitimität des Verfahrens entfacht. Trotz gesetzlicher Grundlage in manchen Ländern, sind viele Menschen nach wie vor der Überzeugung, das ethische Haltung zum Entstehungsprozess neuen Lebens ändere sich durch die medizinisch gerechtfertigte »Selektierung im Reagenzglas« grundlegend und habe unmittelbare Auswirkungen auf den Respekt vor ungeborenem Leben.
Selbst viele Experten in Deutschland betrachten die Meldung aus Großbritannien eher kritisch. So bezweifelt zum Beispiel auch der Vorsitzende der PID-Kommission der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe, Klaus Diedrich, dass sich die Schwangerschaftsrate durch die neue Methode der embryonalen Frühsondierung wirklich erhöht. Da die Sequenzierung bei In-vitro-Fertilisationen hierzulande eben wegen der ethischen Streitfrage nur im Falle problematischer Genanlagen zum Einsatz kommt, hält Diedrich eine Anwendung dieses Verfahrens in Deutschland zudem für ausgeschlossen.
Fazit
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Die Verfechter der Ethik können also beruhigt aufatmen. Zumindest in diesem Punkt, denn die Frage danach, wohin der künstliche Befruchtungswahn in Verbindung mit den jüngsten Fortschritten in der Gentechnik noch führen soll, bleibt nach wie vor unbeantwortet. Viele befürchten in naher Zukunft nämlich nicht nur die Kontrolle künstlich erzeugter Embryonen, sondern in diesem Zuge auch eine Komplettmodifikation des Erbguts. Tatsächlich scheint es angesichts embryonaler ‚Massenversuche‘, als habe die Medizin hier einen äußerst gefährlichen Weg beschritten, der dringend nach einer gesetzlichen Regulierung schreit.