Bei einer Forsa-Umfrage im Jahr 2013 gab jeder dritte Deutsche an, Nahrungsergänzungsmittel zu nehmen. Längst werden diese nicht mehr nur in Drogerien oder Supermärkten, sondern zunehmend auch online gekauft. Da für Nahrungsergänzungsmittel keine Rezeptpflicht herrscht, ist der Erwerb jedem ohne Weiteres möglich. Mehrere Milliarden Umsatz werden mit den entsprechenden Präparaten erwirtschaftet, eine Tatsache, die bei Ärzten und Ernährungswissenschaftlern gemischte Reaktionen hervorruft.
Doch worum handelt es sich eigentlich genau bei „Nahrungsergänzungsmitteln“ und was sollen diese bewirken? Dieser Frage gehen wir im Folgenden einmal auf den Grund, genauso wie der Frage nach Sinn und Unsinn der Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln und damit verbundenen Risiken.
Was sind Nahrungsergänzungsmittel genau?
Wenn Sie nur ungefähre Vorstellungen mit dem Begriff „Nahrungsergänzungsmittel“ verbinden, geht es Ihnen so wie vielen anderen Menschen auch. Welche Präparate unter diesem Begriff zusammengefasst werden und was diese von Arzneimitteln unterscheidet, ist oft nicht klar. Dabei ist rechtlich genau geregelt, was in diese Gruppe gehört. Nach der Nahrungsergänzungsmittelverordnung handelt es sich dabei grundsätzlich um Lebensmittel, die
- dazu bestimmt sind, „die allgemeine Ernährung zu ergänzen“ und
- „ein Konzentrat von Nährstoffen oder sonstigen Stoffen mit ernährungsspezifischer oder physiologischer Wirkung allein oder in Zusammensetzung“ darstellen.
Es gibt verschiedene Formen, in denen diese Präparate angeboten werden können. Neben den Tabletten, die die meisten Menschen aus dem Supermarkt oder der Drogerie kennen, werden Nahrungsergänzungsmittel auch in Pulverform, als Lutschpastillen oder Flüssigkeit angeboten.
Sie enthalten zum Beispiel hohe Konzentrationen von:
- Vitaminen
- Ballaststoffen
- Spurenelementen (zum Beispiel Eisen oder Fluorid)
- Aminosäuren
- Essenzielle Fettsäuren (zum Beispiel Omega-3)
Bei Nahrungsergänzungsmitteln kann es sich auch um Lebensmittel in Trockenform handeln, wie zum Beispiel Sojaextrakt. Sie können als Multi-Präparate vorliegen, die aus verschiedenen Stoffen zusammengesetzt sind, oder als Mono-Präparate, bei denen es sich nur um einen Stoff handelt. Zu den Spitzenreitern unter den verkauften Nahrungsergänzungsmitteln in Deutschland gehören Magnesium- und Calciumpräparate sowie Multivitamine. Rechtlich zählen Nahrungsergänzungspräparate zu den Lebensmitteln und dürfen deshalb ohne ärztliches Rezept verkauft werden – in Reformhäusern, Drogerien oder im Supermarkt. Das bedeutet auch, dass sie keiner Zulassungspflicht unterliegen und damit nicht – wie bei Arzneimitteln – die Unbedenklichkeit und der Nutzen des Präparats nachgewiesen werden muss.
Welche Wirkung wird diesen Mitteln zugeschrieben?
Grundsätzlich sollen Nahrungsergänzungsmittel die Ernährung ergänzen, wie der Name schon andeutet. Auf diese Art soll eine ausreichende Versorgung mit wichtigen Stoffen gewährleistet sein und Mangelerscheinungen vorgebeugt werden. Die Hersteller und Verkäufer der Präparate argumentieren damit, dass viele Menschen keine ausreichende Menge an Vitaminen, Magnesium etc. zu sich nähmen. Glaubt man ihren Aussagen, haben Nahrungsergänzungsmittel eine ganze Reihe an positiven Wirkungen auf Körper und Geist. So werden dem Nahrungsergänzungsmittel Mega Rot des Unternehmens Dr. Hittich in einem Artikel der Abendzeitung München folgende Effekte zugeschrieben:
- Stärkung des Immunsystems
- Senkung des Risikos einer Herzattacke
- Linderung von Gelenkschmerzen
- Steigerung von Leistungskraft und Ausdauer
Sogar das Risiko von altersbedingter Demenz soll durch Mega Rot, das in erster Linie Omega-3 enthält, reduziert werden. Ähnlich argumentieren auch andere Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln. Der Werbung für manche Präparate nach sind wahre Wunderwaffen, die Krankheiten vorbeugen, für mehr Energie sorgen und den Spaß am Leben erhöhen. Entsprechend sind Nahrungsergänzungsmittel auch beliebt bei Menschen, die ihre Leistung in stressigen Zeiten erhöhen möchten und durch den Griff zum Pillenschrank auf mehr Ausdauer hoffen.
Sind Nahrungsergänzungsmittel tatsächlich nützlich?
Diese Frage stellen sich viele Menschen und sie lässt sich nicht so einfach kategorisch beantworten. Fakt ist, dass der menschliche Körper eine ganze Reihe an bestimmten Stoffen in ausreichender Menge benötigt. Werden ihm diese nicht zugeführt, kann es zu Mangelerscheinungen kommen. Allerdings gehen die meisten Experten davon aus, dass im Regelfall die tägliche Nahrung den Bedarf an Vitaminen, Spurenelementen etc. deckt – eine halbwegs gesunde Ernährung vorausgesetzt. Dass sich Letztere nicht durch Nahrungsergänzungsmittel ersetzen lässt, darin sind sich Befürworter und Gegner der Präparate einig. Denn Nahrungsmittel wie Obst und Gemüse enthalten einen ausgeklügelten Mix aus verschiedenen wichtigen Stoffen, mit dem keine Pille mithalten kann. Außerdem werden viele Inhaltsstoffe mit der Nahrung besser von unserem Körper aufgenommen, als wenn sie isoliert zugeführt werden. Wenn, dann sind Nahrungsergänzungsmittel eben wirklich nur eine „Ergänzung“.
Wissenschaftliche Studien weisen sogar daraufhin, dass Zusatzpräparate gefährlich sein können. So kann die regelmäßige Einnahme von Betacarotin das Risiko von Rauchern, an Lungenkrebs zu erkranken steigern, wie jüngst eine Studie in Colorado bestätigte. Künstlich dem Körper zugeführtes Eisen wiederum erhöht das Risiko von Prostatakrebs. Es gibt sogar Anzeichen dafür, dass die Überdosierung von Vitamin C auf Dauer ein gesundheitliches Risiko darstellt. Außerdem können Nahrungsergänzungsmittel zu Wechselwirkungen mit bestimmten Medikamenten führen und deren Wirkung abschwächen oder Wechselwirkungen mit anderen Nahrungsergänzungsmitteln entfalten.
Allerdings gibt es einige Fälle, in denen Nahrungsergänzungsmittel sinnvoll sind, zum Beispiel bei:
Schwangeren und stillenden Frauen: In der Schwangerschaft und während der Stillzeit benötigt der Körper eine erhöhte Zufuhr von Nährstoffen wie Jod oder auch Eisen. Vor allem für Ersteres empfehlen Ärzte Nahrungsergänzungsmittel.
Senioren: Auch bei Menschen im hohen Alter, die nur wenig essen, kann es zu Mangelerscheinungen kommen.
Sportler: Wer intensiv Sport betreibt, profitiert unter Umständen von Nahrungsergänzungsmitteln. Allerdings gilt auch hier, es nicht zu übertreiben.
Menschen mit chronischen Krankheiten: Manche Krankheiten, zum Beispiel der Nieren, beeinträchtigen die Nahrungsaufnahme. Deshalb können die Betroffenen mit Nahrungsergänzungsmitteln Mangelerscheinungen vorbeugen.
Auch bei Diäten ist eine Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln manchmal sinnvoll – über einen begrenzten Zeitraum hinweg. Wenn Sie sich vegan ernähren, kann es zu einem Mangel von Stoffen kommen, die in Fleisch und Fisch enthalten sind. In einigen Fällen ist es dann hilfreich, zusätzlich Vitamin B12 oder auch Eisen und Zink zu sich zu nehmen.
Eine Einnahme vorher mit dem Arzt abklären
Auch wenn es verführerisch ist, bei chronischer Müdigkeit ein paar Präparate aus dem Reformhaus zu probieren, die in diesem Fall Abhilfe schaffen sollen, gilt: Klären Sie eine Einnahme immer mit dem Arzt ab. Denken Sie daran:
- Nahrungsergänzungsmittel können schädliche Nebenwirkungen haben.
- Sie können sich ungünstig auf die Wirkung von Medikamenten auswirken.
- Nur ein Arzt kann abklären, ob Sie überhaupt einen Mangel an bestimmten Stoffen haben und welche Präparate bei Ihnen sinnvoll sind.
- Auch bei Nahrungsergänzungsmitteln ist die richtige Dosierung und Einnahme wichtig.
Sollten Sie wirklich unter Mangelerscheinungen leiden, verschafft Ihnen der Gang zum Arzt die notwendige Sicherheit. Schließlich kann es sich bei typischen Symptomen eines Nährstoffmangels auch um Anzeichen einer ernsthaften Krankheit handeln.
Fazit: eine gesunde Ernährung lässt sich nicht ersetzen
Es gibt tatsächlich Fälle, in denen der Griff zu Nahrungsergänzungsmitteln sinnvoll sein kann. Allerdings sind sich die meisten Ärzte und Experten einig, dass gesunde Menschen, die nicht schwanger sind und sich gesund ernähren, auch keine Zusatzpräparate benötigen. Im Gegenteil, sie können sich mit Letzteren sogar nachhaltig schaden. Falls Sie die Befürchtung haben, an einem Nährstoffmangel zu leiden, lassen Sie sich in jedem Fall ärztlich untersuchen, bevor Sie sich für Nahrungsergänzungsmittel entscheiden. Davon abgesehen gilt: Mit einer gesunden Ernährung geben Sie Ihrem Körper alles was er braucht – noch dazu in der verträglichsten Form.