Muskelschwund (Muskelatrophie oder Amyotrophie) ist eine durch Muskelschwäche gekennzeichnete Erkrankung, die den stetigen Rückgang an Muskelmasse zur Folge hat. Da der Körper bei jeder Bewegung auf die Muskelfunktionalität angewiesen ist, fallen Patienten mit Muskelatrophie vor allem durch einen nicht flüssigen Bewegungsablauf auf. Im späteren Verlauf verschlimmert sich das Problem und die Beweglichkeit nimmt erheblich ab. Lesen Sie in diesem Ratgeber, wie die Muskelerkrankung im Detail entsteht und wie sich geeignete Möglichkeiten der Behandlung gestalten.
Entstehung der Muskelatrophie
Die Muskulatur ist ein Gewebeorgan, das durch Kontraktionen und Erschlaffungen einzelner Muskelgruppen unsere Körperbewegungen steuert. Erkrankungen der Muskeln wirken sich demnach extrem auf die Motorik aus. Die Muskelatrophie ist hierbei eine der schwersten Krankheitsformen. Sie entsteht meist durch einen Mangel an Eiweiß, einem für den Muskelstoffwechsel unerlässlichen Nährstoff. Auf diesem Weg folgt ein fortschreitender Schwund (Atrophie) von Muskelgewebe.
Die Symptome eines Muskelschwunds können sehr vielseitig sein, beinhalten aber fast immer Auffälligkeiten in der Motorik. So können zum Beispiel die Bein- oder Armmuskulatur nicht mehr ausreichend gestreckt und gebeugt werden, was zu einer massiv eingeschränkten Bewegungsfreiheit führt. Besonders gefährlich ist Muskelatrophie zudem, wenn der Herzmuskel davon betroffen ist. Hier herrscht akute Lebensgefahr, sollte die kardiale Muskulatur stark an Funktionsfähigkeit einbüßen. Neben einer akuten Atrophie der Muskeln, wie sie bspw. durch längere Inaktivität oder Mangelernährung entsteht, gibt es dabei auch einige spezielle Formen der Muskelatrophie:
- amyotrophe Lateralsklerose – der Muskelschwund entsteht durch degenerative Prozesse im motorischen Nervensystem. Außer Muskelschwund ist auch eine Sklerose der Muskeln zu beobachten.
- spinale Muskelatrophie – der Muskelschwund wird durch eine Atrophie motorischer Nervenzellen im Rückenmark ausgelöst.
- neurale Muskelatrophie – der auch als Morbus Charcot-Marie-Tooth bezeichnete Muskelschwund ist einer genetischen Mutation im peripheren Nervensystem geschuldet.
- Muskeldystrophie – der auch als Dystrophia musculorum progressiva bekannte Muskelschwund wird durch einen erblich bedingten Mangel an muskeleigenen Proteinen verursacht. Neben dem Muskelschwund sind auch Muskelschwäche und krankhafte Umbauprozesse innerhalb der Muskulatur passende Symptome.
- Muskeldystrophie vom Typ Duchenne
(betrifft Becken-, Oberschenkel- und Herzmuskel) - Muskeldystrophie vom Typ Becker-Kiener
(betrifft Becken-, Schultergürtel- und Oberschenkelmuskulatur) - myotone Dystrophie Curschmann-Steinert
(betrifft Gesichts-, Hand- und Unterarmmuskulatur) - Muskeldystrophie vom Gliedergürteltyp
(betrifft Schultergürtel- und Beckengürtelmuskeln)
Ursachen für Muskelschwund
Die Ursachen für Muskelschwund können sehr vielseitig sein. Meist lässt sich jedoch ein Proteinmangel innerhalb der Muskulatur finden. Dieser löst in Folge degenerative Störungen im Stoffwechsel der Muskeln aus. Ergänzend kommen auch besondere Traumata, Vorerkrankungen oder Fehler in der Ernährung als Ursachen in Betracht. Hier eine kleine Übersicht:
- genetische Faktoren: Ein Mangel an Eiweiß kann auf erblich bedingten Gendefekten beruhen. Vor allem die Muskeldystrophie und die amyotroph-laterale Sklerose zeichnen sich durch entsprechende Genfaktoren aus. Bei Muskeldystrophie ist häufig die Produktion der Muskeleiweiße Anoctamin, Dystrophin, Fuktuin, Laminin, Matrin, Myotilin oder Titin gestört. Bei amyotropher Lateralsklerose ist dagegen eine genetische Proteinfehlfaltung zu beobachten. Darüber hinaus kann ein erblich bedingter Muskelschwund auch durch eine gestörte Produktion von Kollagen und Enzymen entstehen.
- Verletzungen und Unfälle: Umfangreiche Verletzungen am Nervensystem können zu Lähmungen führen, die eine weitere Nutzung der Muskulatur unmöglich machen. Dies hat zur Folge, dass sich nicht beanspruchte Muskelmasse nach und nach abbaut. Ein solcher Muskelschwund ereignet sich besonders häufig nach Unfällen, die eine Querschnittslähmung nach sich ziehen. Als typische Form der Erkrankung gilt hier die spinale Muskelatrophie. Gleichwohl haben auch Muskeln, die über längere Zeiträume in Gips gelegt wurden, mit schwindender Substanz zu kämpfen.
- Unterforderung: Nicht nur nach einem Unfall kann es zur Unterforderung von Muskelgruppen kommen. Bestes Beispiel sind hier Astronauten, die im Weltraum keiner Schwerkraft ausgesetzt sind. Der Muskelschwund ist hier kaum aufzuhalten und muss nach der Rückkehr zur Erde durch gezieltes Bewegungstraining kompensiert werden. Im Alltag sind dagegen oft Fehlhaltungen und Bewegungsmangel für eine Unterforderung der Muskeln verantwortlich.
- Erkrankungen: Entzündungen oder Infektionen können über Schäden am Nervensystem ebenfalls zu Muskelschwund führen. Gleiches gilt für Autoimmunkrankheiten und Krankheiten, die Fehlhaltungen des Körpers begünstigen. Denkbar sind hier sowohl eine spinale als auch eine neuronale Muskelatrophie.
- Alter und Ernährung: In Entwicklungsländern gehört Unterernährung klar zu den Ursachen für Muskelatrophie. Abermals ist hier ein Eiweißmangel in der Nahrung für die atrophischen Prozesse verantwortlich. Im Alter bauen Muskeln dagegen meist auf natürlichem Wege ab. Bleibt ein passendes Bewegungstraining aus, um der altersbedingten Degeneration entgegen zu wirken, nimmt der Muskelschwund hier oft extreme Züge an.
Symptome bei Muskelschwund
Die Symptome eines Muskelschwunds hängen von den betroffenen Muskelgruppen ab. Gemeinsam ist den Erkrankungsformen ein Rückgang der Muskelmasse, sowie eine damit verbundene Muskelschwäche. Auch Schmerzen sind nicht auszuschließen. Im Großen und Ganzen lassen sich für eine Atrophie der Muskeln folgende Symptome festhalten:
- eingeschränkte Bewegungsfähigkeit
- Muskelschwächen, Muskelkrämpfe und Muskelschmerzen
- geschwächte Atemfunktion
- Herzleistung ist eingeschränkt (bei Atrophie des Herzmuskels)
- Wadenschmerzen (bei Atrophie der Wadenmuskulatur)
- Watschelnder Gang (bei Atrophie der Becken- und Oberschenkelmuskulatur)
- Fehlstellungen der betroffenen Körperregionen und Knochen
- Sklerose
- Skoliose
Diagnose und Therapie bei Muskelschwund
Erblich bedingte Muskelatrophien lassen sich bereits im Kindesalter feststellen. Und auch für Erwachsene stehen zahlreiche Methoden der Untersuchung zur Verfügung. Zuerst werden für gewöhnlich Blut- und Urintests angeordnet, um Auffälligkeiten im Protein- und Enzymhaushalt zu erkennen. Ebenso ist eine Muskelbiopsie von Nöten. Dabei entnehmen Ärzte eine Gewebeprobe aus erkrankten Muskeln, anhand derer sie den Fortschritt der Atrophie beurteilen können. Ergänzend geben bildgebende Verfahren wie EKG, EMG und MRT Aufschluss über die Tragweite der Erkrankung.
Einige Formen des Muskelschwunds, darunter auch die Muskeldystrophie und die amyotroph-laterale Sklerose, sind bislang leider nur palliativ behandelbar. Es können demnach nur Symptome und Schmerzen behandelt werden. Eine gute Therapie ist zudem ein gezieltes Muskeltraining. Lesen Sie nachstehend Einzelheiten zur Behandlung:
- Physiotherapie und Ernährungsumstellung: Die wohl wichtigste Maßnahme bei Muskelschwund ist ein konsequentes Muskeltraining. Nur so lässt sich neue Muskelmasse bilden und ein Schwund der Muskulatur langfristig aufhalten. Darüber hinaus ist eine eiweißhaltige Ernährung wichtig, wobei auch magnesiumhaltige Lebensmittel einen wichtigen Beitrag zur Behandlung leisten. Eine einfache Atrophie der Muskeln lässt sich durch entsprechende Maßnahmen meist vollständig heilen.
- Medikamente: Medikamente bieten bei chronischen Muskelatrophien die Möglichkeit, das Fortschreiten der Erkrankung zumindest hinauszuzögern. Im Falle einer Muskeldystrophie werden hier zum Beispiel Präparate eingesetzt, die Ribonukleinsäuren enthalten. Sie haben eine stabilisierende Wirkung auf die Muskeldegeneration und können diese entschieden verlangsamen. Ergänzend lassen sich durch geeignete Medikamente Symptome wie Sklerose oder Muskelkrämpfe behandeln.
- Operationen und Orthesen: Sollte die Bewegung des Patienten bereits so stark eingeschränkt sein, dass ein aufrechter Gang erschwert wird, lassen sich zum einen Orthesen und Bewegungshilfen einsetzen, um die Körperhaltung zu korrigieren. Haben Muskelatrophien für Umbauprozesse in der Muskulatur oder Fehlhaltungen im Skelettaufbau gesorgt, kann zudem eine OP zur Haltungskorrektur erwogen werden.
Muskelschwund – Verlauf, Komplikationen und Prävention
- Muskelatrophien sind je nach Krankheitsform besser oder schlechter behandelbar. Eine vollständige Heilung ist oft nur ohne genetisch bedingten Hintergrund möglich. Ferner erschweren Schäden am Nervensystem und vorliegende Autoimmunkrankheiten die Behandlung. Durch stetes Muskeltraining und muskelfreundliche Ernährung lässt sich der Muskelabbau aber verhältnismäßig gut in Schach halten.
- Eine gute Anlaufstelle für Patienten mit Muskelerkrankungen sind spezielle Selbsthilfegruppen. Hier lernen Betroffene, mit ihrer Krankheit umzugehen und ihren Alltag dementsprechend zu gestalten. Unser persönlicher Tipp ist hier das Online-Portal der Deutschen Gesellschaft für Muskelkranke e.V. (DGM). Hier geben viele erfahrene Ärzte und Patienten nützliche Tipps und auch Infoveranstaltungen werden regelmäßig angeboten.
Fazit
Muskelschwund ist eine tückische Muskelkrankheit, deren Behandlung sich bis heute als große Herausforderung für die Medizin gestaltet. Viele Formen der Erkrankung, wie etwa die Muskeldystrophie, beruhen auf genetischen Ursachen, die sich bislang therapeutisch nicht beheben lassen. Daneben sind auch krankheitsbedingte Schädigungen des Nervensystems eine Komplikation, die die Therapie erschwert. Gute Erfolge lassen sich aber durch muskelorientiertes Training und passende Ernährung erzielen. So lässt sich eine fortschreitende Atrophie der Muskulatur oftmals sehr lange aufhalten und die Lebensqualität der Betroffenen deutlich verbessern.