Die auch als juvenile Kyphose bekannte Erkrankung Morbus Scheuermann (Kyphosis dorsalis juvenilis) beschreibt eine unnatürliche Krümmung der Wirbelsäule im Jugendalter. Jungen sind dabei gut fünfmal häufiger von der Erkrankung betroffen als Mädchen. Dies liegt vor allem daran, dass die männliche Wirbelsäule in jungen Jahren besonders anfällig für Fehlentwicklungen ist. Informationen über Entstehung, Ursachen, Symptome und Behandlung bei Morbus Scheuermann finden Sie in diesem Ratgeber.
Entstehung von juveniler Kyphose
Der Name Morbus Scheuermann für die juvenile Kyphose geht auf den Radiologen Holger Werfel Scheuermann zurück, der die Krankheit 1921 erstmals beschrieb. Die Entstehung der Krankheit lässt sich allerdings besser über den Begriff Kyphose erklären. Dieser leitet sich vom griechischen Wort kyphos für „Buckel“ ab. Folglich verbirgt sich hinter der juvenilen Kyphose eine krankhafte Buckelbildung im Jugendalter. Im Detail handelt es sich um eine Wachstumsstörung der Wirbelsäule, bei der die Vorderkante der Wirbelkörper im Vergleich zur Hinterkante langsamer wächst. Auf diese Weise kommt es zu einer extremen Keilwirbelbildung und damit zu einer Krümmung in der Wirbelsäule.
Betroffen sein können von Morbus Scheuermann sowohl die Lenden- als auch die Brustwirbel. Ist eine stark ausgeprägte Krümmung im Brustwirbelbereich gegeben, so spricht man auch von einem Rundrücken. Eine Kyphose der Lendenwirbel ist hingegen eher selten und führt anders als die Brustwirbelkyphose zu einem Flachrücken. Neben den sichtbaren Wirbelkrümmungen geht die Buckelbildung zudem mit starken Rückenschmerzen, sowie zunehmenden Haltungsschwächen im Bereich der Wirbelsäule einher. Betroffene Jugendliche leiden also nicht nur optisch unter ihrer Krankheit, sondern ebenso durch anhaltende Schmerzen. Auch sind ohne geeignete Therapie bleibende Schäden im Bereich der Wirbelkörper nicht auszuschließen. Die Folgen einer juvenilen Kyphose können sich unbehandelt also bis ins Erwachsenenalter auswirken.
Ursachen für Morbus Scheuermann
Die Ursachen für Morbus Scheuermann sind bis heute nicht restlos geklärt. Man geht jedoch von einer bestehenden Knorpelschwäche im Bereich der Wirbelkörper aus. Entstehen kann diese Schwäche der wirbeleigenen Knorpelanteile durch verschiedene Faktoren:
- genetische Veranlagung: Wie viele Gewebeschwächen können auch Knorpelschwächen erblich bedingt sein. Im Verlauf des jugendlichen Wachstums kommen derartige Schwächen natürlich besonders zum Tragen. Gerade im Bereich der Wirbelsäule ist eine leichte Wachstumsverzögerung einzelner Wirbelelemente nicht ungewöhnlich. Fehlt es allerdings an der nötigen Knorpelstabilität, so kann es durch zunächst harmlose Verzögerungen im Wuchs leicht zu Fehlentwicklungen im Haltungsapparat kommen.
- Stoffwechselstörungen: Ebenfalls erblich bedingt können hormonelle oder kollagene Störungen im jugendlichen Stoffwechsel sein. Gewebeschwächen sind auch in diesem Fall nicht ausgeschlossen. Es sei jedoch erwähnt, dass genetische Disposition nicht der einzige Grund für mögliche Stoffwechselstörungen ist. Denn auch Umweltfaktoren wie Stress und Schadstoffbelastung, oder bestimmte Gewohnheiten in der Ernährung nehmen im Jugendalter großen Einfluss auf den Stoffwechsel.
- Fehlbelastung der Wirbelsäule: Im Volksmund wird Kyphose auch gerne Schneiderbuckel oder Lehrlingsbuckel genannt. Die Bezeichnungen beziehen sich auf Tätigkeiten, die durch falsche Körperhaltung und verstärkte Biegebelastung der Wirbelkörper eine Buckelbildung begünstigen. In jungen Jahren ist hier vor allem eine gekrümmte Sitzhaltung zu nennen. Und selbst Sportarten, die sich durch besondere Stauch- oder Drehbelastung der Wirbelsäule auszeichnen (z.B. Kampfsport oder Laufsport) sind als Ursache für Morbus Scheuermann nicht gänzlich auszuschließen.
- Bewegungsmangel: Besondere Mehrbelastung der Wirbelsäule entsteht auch durch mangelnde Bewegung. Hier führt eine zu schwache Rückenmuskulatur zu Wachstumsstörungen im Bereich der Wirbelkörper. Kommt dann noch eine schädliche Körperhaltung im Alltag dazu, kann dies die Entstehung von Morbus Scheuermann durchaus begünstigen.
- Vorerkrankungen: Früher nahm man an, dass Morbus Scheuermann einer Art von Knorpel-Knochenerkrankung der Wirbelkörper geschuldet sei. Allen voran stand hier Osteochondrose im Verdacht, die Buckelbildung auszulösen. Die Theorie wird heute jedoch als unwahrscheinlich angesehen.
Symptome bei Morbus Scheuermann
Das wohl auffälligste Symptom bei Morbus Scheuermann ist die sichtbare Krümmung der Wirbelsäule durch Keilwirbelbildung. Diese bildet sich allerdings erst im späteren Verlauf der Krankheit aus. Vorab sollten deshalb vor allem anhaltende Rückenschmerzen genau beobachtet werden. Insgesamt können bei juvenilen Kyphosen folgende Beschwerden auftreten:
- Bewegungseinschränkungen
- Haltungsprobleme
- Missempfindungen im Bereich der Wirbelsäule
- Runddrücken oder Flachrücken
- Rückenschmerzen
- Veränderungen der Muskeln, Sehnen und Bänder
- Verspannungen durch Fehlhaltung
Diagnose und Therapie bei Morbus Scheuermann
Ein leichter Flach- oder Runddrücken kann ein erster Hinweis für Morbus Scheuermann sein. Des Weiteren lässt sich ein erster Verdacht durch ärztliche Schmerz- und Bewegungstests erheben. Gewissheit bringt jedoch nur eine ausführliche Röntgenuntersuchung der Wirbelsäule. Der Arzt wird hier besonders auf eine mögliche Keilwirbelbildung achten. Zu schmale Wirbelzwischenräume, ein abweichender Cobb-Winkel der Wirbel und Unregelmäßigkeiten im Wirbelkörperaufbau (v.a. in den Grund- und Deckplatten) geben hierzu wichtige Informationen. Darüber hinaus sind sogenannte Schmorl-Knötchen ein sicheres Indiz auf Morbus Scheuermann. Die Knötchen entstehen durch die Verlagerung von Bandscheibengewebe in den Wirbelkörpern. Bei positivem Befund gestaltet sich eine geeignete Therapie wie folgt:
- Stärkung der Wirbelsäulenmuskulatur: Physiotherapie und Krankengymnastik sind bei der Behandlung von Morbus Scheuermann von unschätzbarem Wert. Eine gezielte Muskelstärkung durch entsprechendes Training kann Fehlhaltungen und Krümmungen der Wirbelsäule nämlich erfolgreich entgegenwirken. Auch sind Übungen zur richtigen Sitz- und Bewegungshaltung dringend zu empfehlen. Entsprechende Angebote kann Ihnen ihr behandelnder Arzt vermitteln.
- Einsatz von Orthesen: Bewährt hat sich in der Therapie von Morbus Scheuermann auch das Tragen von Stützkorsetts. Dieses wird straff um die geplagte Wirbelsäule gelegt und sollte zumindest im ersten Therapiejahr dauerhaft getragen werden. Die künstliche Haltungskorrektur lenkt den Körper zu einer aufrechten Haltung, was weiteren Deformierungen zuverlässig vorbeugt.
- Gabe von Medikamenten: Rückenschmerzen lassen sich bei Kyphosen meist nur durch schmerzstillende Wirkstoffe wie Paracetamol oder Ibuprofen behandeln. Zudem sind Muskelrelaxanzien denkbar, welche Verspannungen durch Haltungsprobleme lindern.
- Operation: In seltenen Fällen kann gegen Morbus Scheuermann eine OP erwogen werden. Dies gilt vor allem dann, wenn durch die Wirbelsäulenkrümmung Organfunktionen (z.B. die Lungenfunktion) erheblich gefährdet sind. Als Richtwert gilt dabei ein Cobb-Winkel von 70 ° oder mehr. Innerhalb der Operation lassen sich unter anderem verschlissene bzw. störende Knochenelemente entfernen. Ebenso ist die Aufrichtung der Wirbelsäule durch Einsatz von Wirbelimplantaten möglich. Die jugendliche Entwicklung der Wirbelsäule muss zum Zeitpunkt des Eingriffs allerdings abgeschlossen sein.
Morbus Scheuermann – Verlauf, Komplikationen und Prävention
- Eine rechtzeitig erkannte Kyphose lässt sich bei konsequenter Gegenbehandlung gut therapieren. Beschwerden können in solch einem Fall meist vollständig verhindert werden. Spätfolgen bleiben dann für gewöhnlich kaum zurück.
- Anders sieht es aus, wenn Morbus Scheuermann über einen längeren Zeitraum unentdeckt bleibt. Hier sind Komplikationen in Form einer eingeschränkten Lungenfunktion, vorzeitige Verschleißerscheinungen der Wirbelsäule und bleibende Haltungsschäden zu erwarten. Besonders komplikationsträchtig ist zudem eine Kyphose im Lendenwirbelbereich. Der dabei entstehende Flachrücken bedeutet oft wesentlich problematischere Wirbelsäulenkrümmungen als der Rundrücken.
- Vorbeugen lässt sich juvenilen Kyphosen vor allem durch die richtige Körperhaltung, sowie ausreichende Bewegung zur Stärkung der Rückenmuskulatur. Um Knorpel und Wirbel fit zu halten, muss ferner auf die richtige Ernährung geachtet werden. In diesem Zusammenhang sind vor allem Kalzium, Magnesium und die Vitamine A, B, C und E äußerst wichtig für die Gesundheit der Wirbelsäule.
Fazit
Morbus Scheuermann ist eine sehr leidvolle Erkrankung, welche die Wirbelsäule während der jugendlichen Entwicklung ereilt. Sie führt unbehandelt zu extrem buckligen Deformierungen der Lenden- oder Brustwirbel, wobei letztere deutlich öfter betroffen sind. Mögliche Ursachen der Krankheit sind noch nicht gänzlich erforscht. Genetische Faktoren und Fehlhaltungen der Wirbelsäule in der Jugend scheinen bislang allerdings die häufigsten Ursachen zu sein. Trotz des erschreckenden Krankheitsbildes lässt sich Morbus Scheuermann heute aber gut behandeln. Ein gezielter Muskelaufbau, sowie stützende Orthesen können unglaublich effektiv auf die Wirbelsäulenverformungen einwirken und diese sogar verringern. Eine rechtzeitige Diagnose und Therapie sind für den Erfolg der Behandlung aber wichtig. Anhaltende Rückenschmerzen im Jugendalter sollten deshalb ernst genommen und unverzüglich ärztlich untersucht werden.