In den Medien hört man seit geraumer Zeit von einer Besorgnis erregenden Zunahme an Fällen von Kleinköpfigkeit (Mikrozephalie oder kurz: MCPH). Grund für die epidemische Ausbreitung der Krankheit ist ein tückischer Virus namens Zika, der bei den ungeborenen Babys infizierter Mütter die Entstehung der neurologischen Erkrankung befördert. Allerdings ist der Zika-Virus nicht die einzige denkbare Ursache für Mikrozephalie. Erfahren Sie in diesem Ratgeber mehr über möglichen Ursachen der Krankheit, sowie Maßnahmen zu Behandlung und Vorsorge.
Was ist Mikrozephalie?
Mikrozephalie beschreibt eine Entwicklungsanomalie des Kopfes (Kephalē oder Caput), bei welcher der Kopfumfang deutlich kleiner ist als üblich. Abweichungen von über 30 Prozent im Vergleich zur Standartgröße des Kopfes bei Gleichaltrigen sind nicht ungewöhnlich. Darüber hinaus provoziert MCPH auch weitere anatomische Anomalien sowie kognitive und motorische Behinderungen. Begleiterkrankungen wie ein epileptisches Anfallsleiden oder Hyperaktivität sind ebenfalls möglich.
Mikrozephalie nimmt ihren Beginn bereits während der embryonalen Gehirnentwicklung. Allerdings lassen sich etwaige Entwicklungsstörungen beim Baby erst ab der 32. Schwangerschaftswoche via Ultraschall feststellen. Selbst dann sind die Anzeichen oftmals noch nicht eindeutig zu erkennen. Der verringerte Kopfumfang wird nämlich meist erst auffällig, wenn das Baby nach der Geburt zu wachsen beginnt, die Größe seines Kopfes aber weiterhin unterdurchschnittlich klein bleibt. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Baby an Mikrozephalie erkrankt, liegt nach aktuellem Kenntnisstand bei 1,6:1000. Mit Blick auf mögliche Wege der Entstehung unterscheidet die Medizin dabei zwei Formen von MCPH:
- primäre Mikrozephalie – die Krankheit ist beim Baby angeboren und beruht auf genetischen Dispositionen
- sekundäre Mikrozephalie – die Krankheit geht auf äußere Einflüsse (z.B. Infektionen oder Hirnverletzungen) zurück, denen das Baby während der Embryonalphase ausgesetzt war
Ursachen für Mikrozephalie
Besondere Aufmerksamkeit erlangte MCPH im Zuge der jüngsten Zika-Epidemie im mittel- und südamerikanischen Raum. Der Virus ist jedoch bei weitem nicht die einzige denkbare Ursache für einen krankheitsbedingt verringerten Kopfumfang bei Kindern. Nachstehend eine Übersicht zu möglichen Auslösern:
- genetische Disposition: Für die primäre Form von MCPH konnten Forscher bestimmte Gen-Defekte ausfindig machen. So kann eine gestörte Produktion des Zell-Proteins Tubulin, für dessen Bereitstellung das Gen TUBB5 verantwortlich ist, zum Beispiel ein gestörtes Gehirnwachstum verursachen. Dieses führt in Folge auch zu einem geringeren Kopfumfang. Des Weiteren kommen auch andere erblich bedingte Entwicklungsstörungen im Bereich des Kopfes, darunter eine Mutation des CASK-Gens und vorzeitige Verknöcherungen der Schädelnaht (Kraniosynostosen) als Entstehungsursache in Betracht.
- Infektionen: In aktuellen Fällen von Mikrozephalie bei Neugeborenen ließ sich eine Vorinfektion der Mutter durch Zika als Ursache bestätigen. Das Virus wird maßgeblich durch Stechmücken wie die Asiatische und Ägyptische Tigermücke übertragen. Diese gelten auch als bevorzugte Wirte für Gelbfieber- und Dengue-Fieber-Viren. Weitere denkbare Vorinfektionen sind Röteln, Windpocken, Toxoplasmose und Zytomegalie.
- Drogenmissbrauch: Werdende Mütter, die während der Schwangerschaft Alkohol oder andere Rauschmittel konsumieren, riskieren bekanntlich diverse Entwicklungsstörungen bei ihrem ungeborenen Kind. Mikrozephalie ist eine dieser Störungen, weshalb Drogenmissbrauch als Ursache für einen verringerten Kopfumfang beim Baby nicht auszuschließen ist. Da die Gehirnentwicklung bereits in der dritten Schwangerschaftswoche beginnt, entstehen entsprechende Gefahren für das Baby schon sehr früh. Der Konsum von Rauschmitteln ist deshalb spätestens direkt nach Bekanntwerden der Schwangerschaft einzustellen.
- Strahlenbelastung: Ähnlich fatal wie Drogenmissbrauch wirken sich im Rahmen der Schwangerschaft radioaktive Strahlendosen (z.B. aufgrund einer Tumorbehandlung oder einer Atomkatastrophe) auf das Baby aus. Die besonders kritische Phase liegt hier zwischen der 8. und 15. Schwangerschaftswoche. Entwicklungsstörungen aufgrund von Strahlenbelastung können jedoch grundsätzlich während der gesamten Schwangerschaft eintreten.
- Kopfverletzungen beim Baby: Schwere Unfälle der werdenden Mutter, welche beim ungeborenen Kind zu Schäden im Bereich des Kopfes führen, kommen für die Entstehung von Mikrozephalie ebenfalls in Betracht. Diese Ursache für einen verringerten Kopfumfang des Babys ist jedoch eher selten und setzt schon einen sehr schweren Sturz oder Aufprall der werdenden Mutter voraus.
Symptome bei Mikrozephalie
Das deutlichste Symptom bei Mikrozephalie ist der auffällig verringerte Kopfumfang. Das Gesicht des Kindes erscheint durch die Kleinköpfigkeit oftmals leicht verzerrt. Auch treten die Augen durch den verminderten Umfang des Kopfes gelegentlich stark hervor. Weitere denkbare Symptome der neurologischen Erkrankung sind:
- verzögerte kognitive und motorische Entwicklung
- Schluck-, Sprach-, Gleichgewichts- und Wachstumsstörungen
- Hyperaktivität
- Hypotonie
- Zwillingszähne
- Sandalenlücke zwischen großer Zehe und Nachbarzehe
- Vierfingerfurche auf der Handinnenfläche
- epileptische Anfälle
- erhöhte Krankheitsanfälligkeit
Diagnose und Therapie bei Mikrozephalie
Der erste Versuch zur Diagnose von Mikrozephalie kann ab der 32. Schwangerschaftswoche unternommen werden. Hier sind erste Anomalien des Kopfes theoretisch schon sichtbar. In den meisten Fällen lässt sich die Erkrankung jedoch erst nach der Geburt mit Sicherheit feststellen. Hierzu muss ein Facharzt den Kopfumgang des Kindes nach der Geburt messen und mit den geltenden Standards entsprechender Normtabellen vergleichen. Um von außen nicht sichtbare Gehirnanomalien (insbesondere genetischer Natur) zu entdecken, sind ferner bildgebende Verfahren wie Röntgen oder CT notwendig. Für die Ursachenforschung kommen des Weiteren Blut- und Urintests beim Baby in Betracht.
Heilen lässt sich Mikrozephalie leider nicht. Lediglich Begleitbeschwerden lassen sich durch gezielte Maßnahmen im Rahmen der Therapie lindern. Eine frühzeitige Förderung durch angemessene Sprach-, Ergo- und Physiotherapie ist hier besonders wichtig, um die Eigenständigkeit des Kindes zu verbessern. Ergänzend könnte eine medikamentöse Behandlung notwendig werden, um Begleiterkrankungen wie Epilepsie oder Hyperaktivität in den Griff zu bekommen. Zudem leiden Patienten mit Mikrozephalie oft stark unter ihrem Erscheinungsbild. Dies macht mit fortschreitendem Alter eine psychotherapeutische Betreuung relevant.
Mikrozephalie – Verlauf, Komplikationen und Prävention
- Da Mikrozephalie unheilbar ist, bleiben die Krankheit und deren Folgen für das Baby ein Leben lang bestehen. Verzögerungen in der Entwicklung können in Folge für erhebliche Defizite in der Lebensqualität wie auch der Lebenserwartung sorgen. Dies lässt sich nur durch eine fachgerechte Behandlung bzw. Frühförderung abmildern. Nehmen Sie deshalb entsprechende Förderprogramme so gut es geht in Anspruch, um Ihrem Kind ein angenehmes und langes Leben zu ermöglichen.
- Komplikationen werden bei Mikrozephalie natürlich durch die begleitenden Entwicklungsstörungen gestellt. Die motorischen, ebenso wie geistige Fehlentwicklungen bedeuten für das Kind enorme Einschränkungen. Nicht zuletzt ist auch das optische Erscheinungsbild, das mit MCPH einhergeht, eine große Belastung für die kleinen Patienten.
- Vorbeugen lässt sich der Erkrankung durch Vermeidung von Vorinfektionen, Drogenmissbrauch und Unfällen während der Schwangerschaft. Mit Blick auf die jüngste Zika-Epidemie ist aktuell auch eine Schutzimpfung zu empfehlen, sofern ein Aufenthalt in Regionen, in denen der Virus grassiert, unumgänglich erscheint. Besser noch ist es allerdings, entsprechende Gebiete während der Schwangerschaft zu meiden.
Fazit
Mikrozephalie ist eine schwere Entwicklungsstörung, die im Laufe der embryonalen Entwicklung bei Babys entstehen kann. Sie hat einen stark verringerten Kopfumfang der Neugeborenen zur Folge. Neben dem Zika-Virus, der aktuell für immer mehr Fälle von Kleinköpfigkeit verantwortlich ist, gibt es dabei noch weitere Erreger sowie Rauschsubstanzen, Gen-Defekte und Unfallszenarien, die theoretisch als Ursache für die Erkrankung in Frage kommen. Eine geeignete Behandlung existiert bislang nicht. Deshalb beschränkt sich die Therapie auf Fördermaßnahmen des Kindes und palliativmedizinische Schritte zur Linderung der Symptome. Eine gewissenhafte Prävention gegen riskante Infektionskrankheiten und andere vermeidbare Auslöser von Mikrozephalie ist Schwangeren deshalb dringend anzuraten, um dem ungeborenen Kind unnötige Risiken zu ersparen.