Das Lispeln (Sigmatismus) stellt eine besondere Form der Aussprachestörung dar, welche auch als Diyslalie bekannt ist. Menschen, die unter dieser Sprachstörung leiden, sind nicht in der Lage, die Zischlaute „s“, „sch“ oder „ch“ richtig zu bilden. Besonders häufig sind von Sigmatismus Kinder betroffen, die gerade einen Zahnwechsel durchmachen oder aufgrund von Zahn- und Kieferfehlstellungen Schwierigkeiten mit der Aussprache von Zischlauten haben. Es gibt jedoch noch zahlreiche andere Gründe für das Lispeln. Lesen Sie im Folgenden mehr zu möglichen Ursachen sowie zu geeigneten Methoden der Therapie bei Sigmatismus.
Entstehung von Sigmatismus
Die Zunge (Lingua) ist ein in der Mundhöhle befindlicher Muskel, der aus 9 separaten Muskelteilen und zum Sprechen unerlässlich ist. Je nachdem, welcher Laut beim Sprachvorgang gebildet werden soll, spannen sich die einzelnen Muskelzonen der Zunge gezielt an. Geht es um die Bildung von S-Lauten, so muss sich die Muskelpartie der Zungenspitze hinter den Zähnen entweder zum oberen oder zum unteren Gaumen hinwenden.
Es sei gesagt, dass Zischlaute mitunter die anspruchsvollsten Laute der Deutschen Sprache sind und Kindern selbst ohne nennenswerte Gründe Ausspracheprobleme bereiten können. Beim Lispeln im Speziellen kommt es innerhalb dieser S-Lautbildung allerdings zu deutlichen Fehlern, die häufig auf einer Hörstörung, mangelhaften Muskelspannung im Zungen- und Lippenbereich oder einer Fehlpositionierung der Zunge (z.B. bei Frontzahnwechsel im Kindesalter) beruhen. Ist letzteres der Fall, drückt die Zunge dauerhaft gegen die Innenseite der oberen oder unteren Frontzahnreihe, was eine verwaschene Aussprache von S-Lauten begünstigt. Ferner ist es möglich, dass Fehlbildungen, wie etwa eine Schmetterlingsstellung der Zähne, Ursache des Lispelns sind. In Abhängigkeit vom Ort, an dem der gestörte S-Laut gebildet wird, unterscheidet man dabei folgende Formen von Sigmatismus:
- Sigmatismus addentalis – der S-Laut wird mit der Zungenspitze an den Zähnen gebildet
- Sigmatismus interdentalis – der S-Laut wird zwischen den Zähnen gebildet
- Sigmatismus lateralis – die Atemluft strömt seitlich an den Zungenrändern vorbei
- Sigmatismus stridens – durch übermäßigen Atemdruck kommt es zu pfeifenden S-Lauten
Ursachen für das Lispeln
Lispeln stellt bei Kindern zunächst keine bedenkliche Sprachstörung dar, da die Aussprache der Zischlaute erst innerhalb der letzten Phase ihrer primären Sprachbildung erlernt wird. Bis dahin gilt Lispeln als eine physiologische Dyslalie. Hält die Artikulationsstörung aber bis über das fünfte Lebensjahr hinaus an, so wird das Lispeln meist von körperlichen oder psychischen Faktoren hervorgerufen. Hierfür können neben Fehlbildungen auch eine verminderte Hörleistung oder eine myofunktionelle Störung verantwortlich sein. Einzelheiten zu möglichen Ursachen entnehmen Sie bitte folgender Auflistung:
- Fehlstellungen und Zahnwechsel: Fehlstellungen im Mundraum können dafür sorgen, dass die nach außen entweichende Luft bei der Bildung von Zischlauten fehlgeleitet wird. Oft sind hier Zahnfehlstellungen wie eine Schmetterlingsstellung der Frontzähne oder ein offener Biss für die Sprachstörung verantwortlich. Ebenso können sich Kieferfehlstellungen oder der kindliche Frontzahnwechsel erschwerend auf die Bildung von S-Lauten auswirken.
- Zungen- und Gaumenveränderungen: Auch Veränderungen am Gaumen oder der Zunge können die Aussprache von S-Lauten behindern. Hierzu zählen neben Schädigungen der Zungenmuskulatur auch Tumore und Lähmungen innerhalb der Mundhöhle. Darüber hinaus kommen auch temporäre Veränderungen, wie sie beispielsweise beim Tragen einer Zahnspange oder eines Piercings auftreten, als Ursache des Lispelns in Frage.
- myofunktionelle Störung: Die myofunktionelle Störung bezeichnet eigentlich eine Schluckstörung, die sich allerdings als Muskelungleichgewicht im gesamten Gesichtsbereich äußert. Sprachstörungen wie das Lispeln sind für das Störungsbild typisch. Daneben äußerst sich eine myofunktionelle Störung durch einen stetig offenen Mund (Mundatmung), einen offenen Biss sowie eine Zungenruhelage zwischen den Frontzähnen.
- Hörstörungen: Besonders häufig wird Lispeln bei Kindern durch Hörstörungen hervorgerufen. Sie erschweren dem Kind ein korrektes Interpretieren und Wiedergeben wahrgenommener Zischlaute. Meist liegt hierbei eine verminderte Hörleistung im Hochtonbereich oder gar Schwerhörigkeit vor. Ebenso können sich Ohrerkrankungen, die über einen längeren Zeitraum anhalten (z.B. chronische Mittelohrentzündung) verfälschend auf das kindliche Hörverstehen auswirken.
- psychische Störungen: Gelegentlich kann Lispeln auch auf psychische Faktoren zurück zu führen sein. In Frage kommen hier zum Beispiel Überlastung, Übermüdung oder der Wunsch nach elterlicher Aufmerksamkeit. Psychische Erkrankungen im Bereich des Sprachzentrums sind ebenfalls nicht als Ursache auszuschließen.
Symptome bei Lispeln
Die Symptomatik des Lispelns beinhaltet maßgeblich die verwaschene Aussprache der Zischlaute. Ansonsten ist Lispeln in der Regel schmerzfrei und frei von Begleitsymptomen. Die Sprachstörung kann bei Betroffenen allerdings zu großem Unbehagen führen, und Hemmungen beim Sprechen vor anderen im schulischen oder beruflichen Alltag mit sich bringen. Wortkargheit oder allgemeine Schüchternheit ist bei Patienten mit Sigmatismus daher oftmals zu beobachten.
Diagnose und Therapie bei Lispeln
Die Diagnose einer lispelnden Sprachstörung erfolgt durch einen Logopäden, der die Dyslalie anhand der Aussprache des Betroffenen erkennt. Die weitere Untersuchung beschäftigt sich anschließend mit den Ursachen des Lispelns. Hierzu wird zunächst ein Hörtest vorgenommen, um eventuelle Hörminderungen erkennen bzw. ausschließen zu können. Ebenso wird durch eine Blickdiagnose der Mundhöhle ermittelt, ob Fehlbildungen oder Zahnfehlstellungen vorliegen.
Bei Kindern unter 5 Jahren ist es nicht zwingend notwendig, das Lispeln zu behandeln. Oftmals stellt sich hier eine selbstständige Regulierung des Sprachfehlers ein, etwa wenn der Frontzahnwechsel abgeschlossen ist. Eine Behandlung des Lispelns ist demnach prinzipiell nur notwendig, wenn die Sprachstörung weit über das 5 Lebensjahr hinaus anhält, nachweislich durch Grunderkrankungen hervorgerufen wird oder Betroffene extrem unter der Sprachstörung leiden. Dabei kommen folgende Therapieformen zum Einsatz:
- logopädische Therapie: Innerhalb einer logopädischen Sprachtherapie wird das bewusste Nachvollziehen und Hören der korrekten Lautbildung erlernt. Zusätzlich wird durch spezielle Sprachübungen die Zungen- und Gesichtsmuskulatur trainiert, um die richtige Bildung der Zischlaute zu automatisieren. Beide Maßnahmen führen langfristig zu einer deutlichen Besserung des Lispelns. Ergänzend sind Sprachübungen für den Alltag empfehlenswert.
- myofunktionelle Therapie: Eine myofunktionelle Störung muss bei Sigmatismus im Zuge einer speziellen Therapie behandelt werden. Diese hat die Überwindung der muskulären Dysbalance zum Ziel. Häufig wird hierfür die Zungenruhelage, das Schluckmuster und die Zungen- und Lippenmuskulatur trainiert. Eine weitere logopädische Therapie also, jedoch mit gezieltem Trainingsfokus für myofunktionelle Störungen.
- Bewältigungstherapie: Sollten psychische Probleme für das Lispeln verantwortlich sein, müssen gegebenenfalls geeignete Bewältigungsstrategien erlernt werden. Diese können zum Beispiel Maßnahmen zur Stressbewältigung und Entspannungstherapien wie autogenes Training umfassen.
- medikamentöse oder operative Behandlungen: Wird das Lispeln durch körperliche Ursachen wie Ohrerkrankungen ausgelöst, ist die Gabe von Medikamenten (z.B. Antibiotika) meist unumgänglich. Fehlstellungen hingegen bedürfen eines chirurgischen Eingriffs, der beispielsweise Kieferfehlstellungen oder Fehlstellungen der Zähne wie die Schmetterlingsstellung korrigiert.
Lispeln – Verlauf, Komplikationen und Prävention
- In der Regel kann Lispeln vollständig kuriert werden. Besteht das Lispeln allerdings über die Kindheit hinaus, ohne zum gegebenen Zeitpunkt therapiert zu werden, so kann sich die Dyslalie derart festigen, dass eine erfolgreiche sprachtherapeutische Behandlung zunehmend schwerer wird.
- Komplikationen entstehen mit Blick auf das Lispeln vor allem durch dauerhafte Fehlstellungen. Solange diese nicht korrigiert werden, lässt sich meist auch das Lispeln nicht beheben. Überhaupt stellen unbehandelte oder unerkannte Grunderkrankungen ein zusätzliches Hindernis bei der Behandlung des Lispelns dar.
- Damit sich bei Kindern kein Lispeln entwickelt, können vorbeugend Maßnahmen getroffen werden, welche die kindliche Sprachentwicklung nachhaltig unterstützen. Hierzu sollte von Eltern und Bezugspersonen auf eine klare und deutliche Aussprache geachtet werden, die dem Kind das Nachahmen der Laute erleichtert. Zusätzlich sollten auftretende Ohrerkrankungen und Zahlfehlstellungen frühzeitig behandelt werden, um Sprachprobleme zu vermeiden.
Fazit
Lispeln zählt neben Stottern zu den häufigsten Sprachstörungen und tritt vor allem bei Kindern auf. Neben Zahlfehlstellungen und Hörminderungen kann das Lispeln dabei auch durch psychische Ursachen hervorgerufen werden. In der Regel führt die verwaschene Aussprache der Zischlaute zu keinerlei weiteren Symptomen. Auch sollte man mit der Behandlung bis zum Ende des fünften Lebensjahres abwarten, denn bis dahin können natürliche Prozesse wie ein Frontzahnwechsel zu temporärem Sigmatismus führen, der sich nach Beendigung des Zahnwechsels von selbst wieder auflöst. Besteht die Sprachstörung hingegen auch danach weiterhin, ist eine zeitnahe Behandlung angeraten, um das Problem so schnell wie möglich zu beheben.