Die erste medizinisch belegte Erwähnung eines Leistenbruchs lässt sich gut 3500 Jahre zurück datieren. Heute weiß man, dass mit 80 Prozent vor allem Männer von dieser äußerst unangenehmen, im unbehandelten Zustand sogar lebensgefährlichen Hernie betroffen sind. Doch was macht gerade das männliche Geschlecht so anfällig für die Leistenhernie und wie lässt sich ein derartiger Bruch schnell und sicher behandeln? Details und Informationen hierzu erfahren Sie im nachstehenden Ratgeber.
Was ist ein Leistenbruch? – Einzelheiten zur Leistenhernie
Zum besseren Verständnis der Vorgänge im Falle eines Leistenbruchs kann es helfen, sich die Leiste (Inguen), sowie die Leistengegend (Regio inguinalis) etwas genauer anzuschauen. Während die Leiste beim Menschen den unteren Teil der Bauchwand, auch Bauchdecke genannt, stellt, bildet die Leistengegend im Ganzen bei Frauen wie Männern das zentrale Verbindungsstück zwischen Ober- und Unterkörper. Sie beherbergt und stützt nicht nur den unteren Teil des Darmes sondern auch die menschlichen Geschlechtsorgane, welche sich bei der Frau oberhalb, beim Mann unterhalb des Leistenkanals befinden. Insgesamt setzt sich die Leistenregion wie folgt zusammen:
- äußerer Leistenring (Anulus inguinalis superficialis)
- innerer Leistenring (Anulus inguinalis profundus)
- Leistenband (Ligamentum inguinale)
- Muskelpforte bzw. laterales Kompartiment der Leiste (Lacuna musculorum)
- Gefäßpforte bzw. mediales Kompartiment der Leiste (Lacuna vasorum)
- Leistenlymphknoten (Nodi lymphatici inguinales)
- Leistenkanal (Canalis inguinalis)
Der Leistenbruch (Hernia inguinalis) beschreibt nun einen im Leistenkanal gelegenen Eingeweidebruch. Er entsteht durch Schwachstellen in der vorderen Bauchwand der Leistengegend und sorgt dafür, dass im Bauch befindliche Organe, wie etwa Teile des Darms oder der Eierstöcke, durch die Bruchpforte austreten. Umhüllt werden die als Bruchinhalt definierten Organteile von Partien des über der Bruchpforte liegenden Bauchfells, welches beim Leistenbruch den sogenannten Bruchsack bildet.
Gefürchtet ist die Leistenhernie vor allem bei Männern. Ihre Leiste weist einige Besonderheiten in Sachen Gewebesensibilität auf, da ihr Hoden während der pränatalen Entwicklung aus dem Inneren der Leistengegend über den Leistenkanal nach außen in den Hodensack wandert. Sollte sich die Bauchdecke nach dieser Hodenwanderung nicht richtig verschließen, erhöht sich hierdurch das Risiko eines Leistenbruchs enorm. In diesem Zusammenhang wird zwischen zwei Formen der Leistenhernie unterschieden:
angeborene Leistenhernie – Der Leistenbruch ereignet sich unmittelbar nach der Geburt oder im frühen Kindesalter. Ursächlich ist hier eine Schwachstelle in der Bauchwand, die bei Jungen durch einen unvollständigen Gewebeverschluss nach Abschluss der pränatalen Hodenwanderung entsteht. Bei Mädchen kann die angeborene Leistenhernie dagegen auf Fehlentwicklungen im Bereich der Eileiter oder Eierstöcke beruhen.
erworbene Leistenhernie – Im erworbenen Zustand tritt der Leistenbruch im Jugend- oder Erwachsenenalter auf. Er kann neben entwicklungsbedingten Schwachstellen in der Bauchwand auch andere Ursachen haben. Diese hängen meist mit abrupten oder anhaltenden Druckeinwirkungen auf die Bauchdecke zusammen.
Eine weitere Klassifikation ergibt sich beim Leistenbruch durch die Lage des Bruchs. Zu unterscheiden ist hierbei folgendermaßen:
direkter Leistenbruch (medialer Leistenbruch) – Der direkte Leistenbruch ist grundsätzlich erworben. Bruchsack und Bruchinhalt dringen hier senkrecht durch die Bauchwand und somit direkt durch die Leistenkanalhinterwand. Die Bruchpforte liegt im Bereich der Körpermitte, also medial zur Leiste. Das Innere des Leistenkanals passieren direkte Leistenbrüche nicht.
indirekter Leistenbruch (lateraler Leistenbruch) – Ein indirekter Leistenbruch ist meist angeboren und dringt über eine seitlich, also lateral gelegene Bruchöffnung durch den Leistenring in den Leistenkanal ein. Im Gegensatz zum medialen Leistenbruch kann es bei einem lateralen Leistenbruch dazu kommen, dass der Bruchsack bis in den männlichen Hodensack bzw. die großen Schamlippen der Frau vordringt. Setzt sich der Bruchinhalt in den Hoden ab, so spricht man auch von einem Hodenbruch.
Ursachen für einen Leistenbruch
Die Ursachen eines Leistenbruchs können je nach geschlechtsspezifischer Anatomie verschieden sein, müssen es aber nicht. Insbesondere was erworbene Leistenbrüche anbelangt, decken sich die Ursachenfelder meist geschlechtsunabhängig, wie folgende Auflistung zeigt:
erhöhter Druck auf Leistengegend und Bauchwand: Bei einem Leistenbruch im Jugend- oder Erwachsenenalter kann häufig schon ein durch Niesen, Husten oder zu starkes Pressen (z.B. bei der Geburt eines Kindes oder beim Stuhlgang) provozierter Druck ausreichen, um einen Bruch in der Bauchdecke zu verursachen. Öfter sind jedoch stärkere Druckverhältnisse, wie sie etwa durch das Heben schwerer Lasten hervorgerufen werden, als Ursache für erworbene Leistenhernie auszumachen.
anhaltende Spannungsverhältnisse: Auch Übergewicht, Verstopfung und immense Wasseransammlungen im Bauchraum verursachen durch dauerhafte Gewebespannung eine Schwächung der Bauchwände. Ein Leistenbruch entsteht hier meist schleichend, sodass er nicht immer sofort bemerkt wird. In diesen Zusammenhang seien auch altersbedingte Prostatavergrößerungen und Schwangerschaften genannt, die das Risiko eines Leistenbruchs durch Gewebespannung deutlich erhöhen.
altersbedingte Aspekte: Sowohl in der Kindheit, als auch im hohen Alter ist das Gewebe im Bereich des Bauchraums besonders sensibel, da es sich entweder gerade erst ausbildet oder im Abbau begriffen ist. Die ohnehin schon als Schwachstelle geltende Bauchdecke läuft im Kindes- und Seniorenalter also noch schneller Gefahr, einen Bruch zu erleiden. Bestehende Krankheiten wie Bindegewebs- oder Darmschwäche verschärfen das Problem.
operative Eingriffe: Wurde das Bauchgewebe bereits durch eine Operation vorgeschwächt, ist in Sachen Leistenbrüche ebenfalls mit einem erhöhten Risiko zu rechnen. Vor allem große Operationswunden und schlecht verheilte Narben sind diesbezüglich kritisch zu betrachten.
sonstige Ursachen: Häufig als Risikofaktoren angeführt werden bei der Leistenhernie auch Krankheiten wie COPD (chronisch-obstruktive Lungenkrankheit), Darmtumore und der bei männlichen Frühchen weit verbreitete Hodenhochstand. Die Erkrankungen eine besondere Überbeanspruchung der Bauchdecke aus, welche das Bindegewebe der Leistenregion nachhaltig schwächt.
Symptome bei Leistenhernie
Symptome müssen bei einem Leistenbruch nicht zwangsläufig auftreten. Ist die Bruchlücke beispielsweise sehr klein, merken Betroffene im Ruhezustand oftmals gar nichts. Erst wenn es zu größeren Bewegungen, dem Heben von Lasten oder einem plötzlichen Niesen oder Husten kommt, beginnt es in der Leistengegend unangenehm zu ziehen. Größere Leistenbrüche fallen dagegen durch ein sehr vielschichtiges Spektrum an Beschwerden auf. Denkbar sind hier:
- Beulen in der Leistengegend
- Beklemmungsgefühle im Leistenkanal
- Fieber, Übelkeit, Erbrechen oder Darmverschluss
- Schmerzen beim Heben von Schwerstlasten oder beim Stuhlgang
- Schmerzen im Bereich der Bruchpforte ohne besondere Belastung
- Schwellungen am Hodensack
- Schwellungen an den Schamlippen
Diagnose und Therapie bei Leistenbruch
Früher, als es der Medizin noch an grundlegenden Kenntnissen zur Entstehung und Behandlung von Leistenbrüchen mangelte, endeten diese meist tödlich. Nekrotisierende oder verletzte Organteile machten das Überleben des Patienten damals nahezu unmöglich. Heute aber lassen sich Leistenbrüche dank modernster Diagnosetechnik in Form von Ultraschall und Magnetresonanztomographie nicht nur schnell ermitteln, auch die Therapie ist inzwischen so ausgereift, dass eine Leistenhernie, wenn rechtzeitig behandelt, keine Gefahr für Leib und Leben mehr bedeutet.
Das Behandlungsmittel erster Wahl ist in diesem Zusammenhang die Leistenbruch-OP. Sie macht hierzulande gut 230 000 Fälle aller chirurgischen Eingriffe aus. Zwar zählt der Leistenbruch damit zu den am häufigsten, operativ behandelten Beschwerden, die dadurch entstandene Operationsroutine ermöglicht jedoch gleichzeitig eine gut erprobte Versorgung der Hernie. Beheben lässt sich diese durch verschiedene Verfahren:
offenes Verfahren: Das offene Operationsverfahren erfordert vom Chirurgen das Setzen eines etwa 5 bis 10 cm langen Schnitts im Bereich der Leiste. Durch ihn wird mit entsprechendem Operationsbesteck bis zum Bruch hinter dem Leistenkanal vorgedrungen, der Bruchinhalt zurück hinter die Bauchwand geschoben und dann die Bruchstelle verschlossen. Ablaufen kann das offene Verfahren dabei in drei Varianten:
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- Operation nach Bassini – Der Bruchinhalt wird zurück in den Bauchraum gedrängt und die Bruchpforte verschlossen. Die Bauchwand hinter dem Leistenkanal wird zusätzlich durch ein Bruchband verstärkt, welches mit den Bauchmuskeln vernäht wird. Das Verfahren nach Bassini ist heute eher veraltet, gilt aber als Grundlage aller modernen Verschlusstechniken für Leistenbrüche.
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- Operation nach Lichtenstein – Der Bruchinhalt wird zurück in den Bauchraum gedrängt und die Bruchpforte verschlossen. Die Bauchwand hinter dem Leistenkanal wird zusätzlich mit einem Kunststoffnetz verstärkt, welches mit der Bruchlücke vernäht wird. Das Verfahren nach Lichtenstein gilt als fortschrittlich, erfordert keine Vollnarkose und minimiert das Risiko eines erneuten Bruchs.
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- Operation nach Shouldice – Der Bruchinhalt wird zurück in den Bauchraum gedrängt und die Bruchpforte mit benachbartem Bindegewebe vernäht. Auch das fortschrittliche Verfahren nach Shouldice erfodert heutzutage lediglich eine lokale Betäubung. Allergische Reaktionen treten dank des Verzichts auf künstliche Stabilisierungsmaterialen kaum auf.
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minimal-invasive Verfahren: Die aus der Schlüssellochchirurgie stammenden, minimal-invasiven Operationsverfahren für Leistenbrüche unterscheiden sich von offenen Verfahren durch die besonders geringe Größe der Öffnungsschnitte von nur 1 bis 2 cm Länge. Hier wird mit einem Endoskop bzw. Laparoskop gearbeitet, das in Richtung Bruchöffnung geschoben wird. Insgesamt existieren zwei gängige Techniken:
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- Transabdominelle Netzplastik (TAPP) – Nachdem der Bruchinhalt mit Hilfe des Endo- bzw. Laparoskops zurück in den Bauchraum gedrängt wurde, befestigt der Chirurg ein Kunststoffnetz über der Bruchöffnung, welches mit Metallclips fixiert wird.
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- Total extraperitoneale Netzplastik (TEP) – Nachdem der Bruchinhalt zurück in den Bauchraum gedrängt wurde, befestigt der Chirurg das Kunststoffnetz über der Bruchöffnung, zwischen Bauchfell und Bauchmuskulatur. Metallclips zur Fixierung sind bei dieser Technik nicht notwendig, wird das Netz doch allein von den körpereigenen Gewebestrukturen getragen.
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Die Auswahl einer geeigneten Technik zum Verschluss des Leistenbruchs richtet sich nicht allein nach den Vorlieben des Patienten. Es muss abgewogen werden, welches Verfahren für die individuelle Größe des Bruchs geeignet ist. Auch sind minimal-invasive Verfahren gemeinhin teurer als offene Verfahren. Allerdings versprechen sie im Gegensatz zu offenen Operationsverfahren häufig eine schnellere Genesung, sowie weniger Komplikationen.
Leistenbruch – Infos zu Verlauf, Komplikationen und Prävention
Bis zur Heilung kann es bei einem Leistenbruch je nach Operationsverfahren zwischen einigen Wochen und mehreren Monaten dauern. Generell sollten Sie sich darauf einstellen, zwischen drei und sechs Monate nach der Operation keine schweren Lasten heben zu dürfen. Auch in Sachen Ernährung gilt es einige, vom Arzt festgelegte Richtlinien zu berücksichtigen, denn um starkes Pressen beim Stuhlgang zu vermeiden, sollten die Ausscheidungen während der Ausheilung so weich wie möglich sein. Mit welchen Komplikationen sie dennoch rechnen müssen und wie sich ein Leistenbruch am besten vermeiden lässt, verraten wir Ihnen abschließend:
- Sofern es durch den Leistenbruch zu Strangulationen und Durchblutungsstörungen aufgrund eingeklemmten Bruchinhalts gekommen ist, sind Blutgerinnsel in den Beinen, aber auch im Gehirn oder der Lunge nicht auszuschließen. Abgestorbenes Gewebe oder nekrotisierende Organteile müssen unter Umständen entfernt werden.
- Bei Männern kann es im Rahmen eines Leistenbruchs zum Verlust eines Samenstrangs oder zu Gefäßverletzungen im Bereich der Hoden kommen. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn der Bruchsack über den Leistenkanal bis in den Hodensack gewandert ist. Auch Darmverletzungen, sowie Schäden an der Blase, den Gefäßen oder Nerven im Bereich der Leiste sind bei einer Leistenhernie nicht auszuschließen. Hier kommt es sehr darauf an, ob der Bruchsack sich verdreht hat und wie die Operation verlaufen ist.
- Allergische Reaktionen auf eingesetzte Leistenbänder und Kunststoffnetze stellen immer wieder eine ernst zu nehmende Komplikation dar. Entzündungen, die daraus hervorgehen, machen manchmal den Austausch eines Fixiereinlage notwendig oder erfordern gar die Anwendung eines alternativen Verfahrens.
- Zu den häufigsten Komplikationen nach einer Leistenbruch-OP gehören auch Nervenirritationen, Schmerzen, Missempfindungen und Bewegungseinschränkungen. Selbst Probleme beim Geschlechtsverkehr und Unfruchtbarkeit werden von manchen Patienten beklagt. In anderen Fällen sollen die Sexualfunktionen durch die Operation dagegen schon verbessert worden sein. Entsprechende Komplikationen sind also von Patient zu Patient verschieden.
- Spontanheilungen sind bei einem Leistenbruch durchaus denkbar. Sinnvoller ist es aber dennoch, ausreichend vorzubeugen. Gerade in Sachen Übergewicht, Lastenheben und Gewebeschwäche lässt sich durch ausreichende Vorsicht und Muskeltraining gut Prävention betreiben. Zudem sollten Sie gerade dann auf erhöhten Druck im Leistenbereich verzichten, wenn Sie nachweislich unter einer Bindegewebsschwäche leiden.
- Was Pressgewohnheiten beim Stuhlgang anbelangt, so ist zu sagen, dass auch weich gehaltener Stuhl Leistenbrüche zuverlässig verhindern kann. Denken Sie bei Ihrer täglichen Ernährung also daran, zu festen Stuhl, etwa durch den übermäßigen Verzehr von Weißbrot und Käse, zu vermeiden. Nehmen sie bei jeder Mahlzeit zudem ausreichend Ballaststoffe und Flüssigkeit zu sich, denn beides fördert die Verdauung.
Fazit
Ein Leistenbruch kann im Grunde jeden ereilen, wenn er seine untere Bauchwand zu starkem Druck aussetzt. Anatomisch bedingt sind Männer jedoch stärker gefährdet und sollten darum besonders auf die Unversehrtheit ihrer Leistenregion achten. Geeignete Präventivmaßnahmen bestehen diesbezüglich aus einem adäquaten Muskeltraining, sowie einer bewussten Ernährung zur Vorbeugung gegen Übergewicht und Verstopfung. Auch Schwerstlasten sollten mit Blick auf Druckverhältnisse, die eine Leistenhernie begünstigen, nie unüberlegt angehoben werden.