Die Badische Zeitung beobachtet eine „Lachgas-Renaissance“ in deutschen Zahnarztpraxen. Während das Narkosemittel in der jüngsten Vergangenheit vor allem in den USA und Skandinavien eingesetzt wurde, werben seit Kurzem immer mehr Ärzte in der Bundesrepublik damit. Vor allem Kinder und Angstpatienten sollen von Lachgas profitieren. Denn dieses sorgt auf schmerzfreie Art für ein Wohlgefühl und befreit von der Furcht vor der Spritze. Der Vorteil für den Arzt ist nicht nur, dass der Patient so die Behandlung entspannt über sich ergehen lässt. Er bleibt auch durchgehend ansprechbar – ein Gegensatz zur herkömmlichen Vollnarkose.
Ganz unumstritten ist die Sedierung mit Lachgas allerdings nicht. Kritiker weisen darauf hin, dass auch dieses Verfahren mit Risiken verbunden ist, die in der Debatte gerne ignoriert werden. Doch welche sind das, wie sind sie einzustufen und welche Alternativen zu Lachgas gibt es?
Lachgas-Narkosen – Wirkungsweise
Der wissenschaftlich korrekte Name für Lachgas lautet Distickstoffoxid. Entdeckt wurde es bereits 1772. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts fand das Gas als Entspannungsdroge Anwendung, bevor es Ärzte ab den 1840er Jahren zunehmend als Betäubungsmittel verwendeten. Die Geschichte des heute wieder populären Narkosemittels reicht also weit zurück. Dennoch fanden Wissenschaftler erst kürzlich heraus, wie Lachgas in der Narkose wirkt. Dies ist durchaus bemerkenswert, denn es unterscheidet sich etwas von der Wirkungsweise der meisten anderen Betäubungsmittel.
Gemein haben narkotische Medikamente, dass sie Nerven an der Kommunikation hindern und so die Weiterleitung von Schmerzsignalen an das Gehirn unterbinden. Die Folge ist, dass der Patient keine Schmerzen wahrnimmt, auch wenn ein Arzt an der betreffenden Stelle in die Haut schneidet oder einen Zahn zieht. Dieser Zustand hält jedoch nur für eine begrenzte Zeit an.
Dabei spielen im Zentralnervensystem zwei Arten von hemmenden und erregenden Stoffen eine zentrale Rolle, die auch ausschlaggebend bei der Narkose sind:
- Glutamat
- GABA
Die meisten Betäubungsmittel wirken auf die GABA-Rezeptoren ein. Bei Lachgas verhält es sich anders. Dieses beeinflusst die Rezeptoren von Glutamat. Es blockiert diese und dämpft so die Schmerzsignale.
In der Medizin gibt es zwei verschiedene Formen der Anwendung von Lachgas:
- Lachgas-Sedierung: Hier bleibt der Patient ansprechbar und atmet ganz normal weiter.
- Lachgasanästhesie: In diesem Fall ist der Patient bewusstlos und benötigt eine künstliche Beatmung.
Die Lachgasanästhesie gilt als deutlich riskantere Variante als die Lachgas-Sedierung, die Befürworter als ausnehmend sanfte Methode werten, Ängsten und Schmerzen zu begegnen. Letztere ist vor allem in Zahnarztpraxen verbreitet und darf auch von herkömmlichen Ärzten ohne Beisein eines Anästhesisten durchgeführt werden.
Sie läuft in der Regel folgendermaßen ab:
- Am Anfang steht ein ausführliches Gespräch mit dem Patienten. Es dient nihct zuletzt dazu, eventuelle Kontraindikationen zu einer Behandlung mit Lachgas festzustellen.
- Anschließend bestimmt der Arzt die Stärke der Sedierung. Diese wird über das Mischungsverhältnis von Lachgas zu Sauerstoff reguliert.
- Der Patient erhält eine Nasenmaske und beginnt damit, reinen Sauerstoff einzuatmen.
- Nach und nach gibt der Arzt dem Sauerstoff Lachgas zu.
- In der Regel erfolgt dann eine Lokalanästhesie.
- Am Ende der Behandlung atmet der Patient reinen Sauerstoff ein. Dies trägt dazu bei, die Wirkung der Sedierung möglichst schnell aufzuheben.
Hieraus wird bereits deutlich, dass Lachgas üblicherweise mit anderen Mitteln kombiniert wird, da es bei einer Sedierung nur leicht schmerzlindernd wirkt. Der Vorteil: Patienten fürchten unter Einfluss des Gases die Narkose und die Behandlung selbst nicht mehr. Der Focus hält den Einsatz von Lachgas deshalb für die beste Alternative für manche Angstpatienten, auch wenn diese dafür in die eigene Tasche greifen müssen.
Die Risiken – Lachgas-Narkose mit Lebensgefahr?
Die Vorteile einer Sedierung durch Lachgas lassen sich kaum leugnen:
- Sie ermöglicht eine problemlose Narkose von Angstpatienten.
- Der Patient bleibt während der Behandlung ansprechbar.
- Der Aufwand ist geringer als bei einer Vollnarkose.
Allerdings gibt es eine Reihe von Experten, die den Boom von Lachgas in deutschen Zahnarztpraxen mit Sorge betrachten. Denn die mit der Anwendung des Gases verbundenen Risiken fallen oftmals unter den Tisch. Zentral sind dabei vor allem die folgenden Punkte:
- Lachgas verbreitet sich extrem schnell in der menschlichen Lunge.
- Die Folge von Überdosierung kann deshalb ein Sauerstoffmangel sein.
- Gefährlich wird es außerdem, wenn das Lachgas nach der Behandlung sehr schnell aus dem Körper abflutet und zu einer Verdünnung der Sauerstoffkonzentration führt (Diffusionshypoxie).
Deshalb ist es unerlässlich, dass der behandelnde Arzt den Sauerstoffgehalt im Blut des Patienten während der Behandlung fortwährend kontrolliert. Vorbeugend wirken moderne Geräte zur Sedierung, die gewährleisten, dass dem Patienten mindestens 50 Prozent Sauerstoff zugeführt werden. Auch die Gabe von 100 Prozent Sauerstoff am Ende einer Behandlung schützt vor Diffusionshypoxie.
Doch selbst dann bleibt die Tatsache, dass es in Zahnarztpraxen in aller Regel Zahnärzte und keine ausgebildeten Anästhesisten sind, die die Sedierung vornehmen. Dies könnte sich in Zukunft ändern. Wie auf den Seiten der Klinik DentalPark nachzulesen ist, erarbeitet der Berufsverband der Anästhesisten und Intensivmediziner (DGAI) derzeit Richtlinien für ambulante Narkosen. Diese sollen eine Lachgassedierung ohne Beisein eines Anästhesisten in Zahnarztpraxen zukünftig unmöglich machen.
Zu den weniger gefährlichen Nebenwirkungen von Lachgas gehört übrigens eine bei manchen Patienten auftretende Übelkeit.
Welche Alternativen existieren
Wie gefährlich eine Sedierung mit Lachgas nun tatsächlich ist, ist umstritten. In modernen Zahnarztpraxen mit modernem Equipment und erfahrenen Ärzten dürfte sie verschwindend gering ausfallen. Wem das Risiko dennoch zu hoch ist, der kann aus einer Reihe von Alternativen auswählen. Meist genügt bei einem Zahnarztbesuch ohnehin eine örtliche Betäubung, die mittels einer Spritze durchgeführt wird. Computergesteuerte Zahnbetäubungen ohne Spritze haben den Vorteil, dass Druckschmerzen wegfallen und nach der Behandlung kein Lallen auftritt. Sie sind eine noch relativ neue Methode
Auch Betäubungen durch Kälte und Medikamente stellen gängige Optionen dar. Sogar Hypnose ist heute ein verbreitetes Mittel in vielen Zahnarztpraxen, um Patienten ihre Angst zu nehmen und sie schmerzunempfindlich zu machen. Bei Angstpatienten, die vor Lachgas zurückschrecken, wird außerdem häufig eine Vollnarkose durchgeführt. So bekommt der Betroffene nichts von dem Geschehen um sich herum mit und lässt sich widerspruchslos behandeln. Hier gilt es allerdings, die Risiken nicht zu unterschätzen. Zwar müssen Vollnarkosen – im Gegensatz zu einer Lachgassedierung – von ausgebildeten Anästhesisten durchgeführt werden. Auch gehören sie für Letztere zur Routine. Dennoch kommt es in Einzelfällen immer wieder zu folgenschweren Unfällen. Umso wichtiger ist es, sich an moderne und erfahrene Ärzte zu wenden. Ein ausführliches Vorgespräch ist in dieser Beziehung unerlässlich.
Fazit
Ob sich der Trend hin zu Lachgas in deutschen Zahnarztpraxen verstärkt oder doch umkehrt, ist umstritten. Für viele Mediziner hat die Wiederentdeckung des in Deutschland lange Zeit in Vergessenheit geratenen Sedierungsmittels unschlagbare Vorteile. Andere weisen auf vermeintlich unterschätzte Risiken hin und kritisieren, dass die Anwendung von Zahnärzten und nicht Anästhesisten durchgeführt wird.
In jedem Fall stellt Lachgas eine bedenkenswerte Alternative für Angstpatienten dar, die keine Lust auf eine Vollnarkose verspüren. Zentral ist es, sich für die Behandlung an einen vertrauenswürdigen Arzt zu wenden. Dadurch minimieren sich vorhandene Risiken weiter.