
Der Großteil aller Brillenträger leidet an Kurzsichtigkeit (Myopie oder Myopia). Auch hat die Zahl an kurzsichtigen Menschen in den letzten Jahren stark zugenommen, wobei Experten vor allem die vermehrte Nutzung von Computern, Laptops und Smartphones hinter dem Problem vermuten. Wie genau Kurzsichtigkeit entsteht und ob Bildschirmgeräte tatsächlich einen Einfluss auf diese Entstehung haben, erfahren Sie in diesem Beitrag.
Entstehung von Myopie
Die Netzhaut (Retina) des Auges besitzt hinter dem Glaskörper (Corpus vitreum) des Augapfels ein besonderes Areal, den Mediziner den Bereich des schärfsten Sehens nennen. Dieser Bereich besteht aus dem sogenannten Gelben Fleck (Macula lutea) sowie dessen Zentrum, der Sehgrube (Fovea centralis). Um ein einwandfrei sehen zu können, müssen Lichtstrahlen, die aus der Umgebung auf die Pupille treffen, nach dem Passieren des Glaskörpers in gebündelt auf die Sehgrube fallen, damit sie anschließend über den Sehnerv (Nervus opticus) an das Gehirn weitergeleitet werden können. Zu diesem Zweck befindet sich hinter der Pupille die sogenannte Sehlinse (Lens crystallina). Sie ist beidseitig gekrümmt, um das Umgebungslicht in einem bestimmten Winkel brechen und so gebündelt auf die Sehgrube lenken zu können. Zusätzlich trägt auch die vor Linse und Pupille befindliche Hornhaut (Cornea) zur richtigen Brechung des Lichtes bei.
Die Stärke, in der Lichtstrahlen von der Linse und Hornhaut gebündelt werden, ist auch als Brechkraft bekannt und wird in Dioptrien (dpt) gemessen. Im Falle von Normalsichtigkeit liegt der Bruchwert diesbezüglich bei etwa 60 bis 65 Dioptrien. Bei Kurzsichtigkeit ist die Augenbrechkraft jedoch deutlich erhöht, was zu einem kleineren Bruchwinkel des Lichtes und damit einer verminderten Dioptrienzahl führt. Durch den verringerten Bruchwinkel werden die Lichtstrahlen weit entfernter Objekte nicht auf, sondern vor der Sehgrube der Netzhaut abgebildet. Seheindrücke aus der Ferne wirken darum verschwommen bzw. unscharf. Unterschieden wird hier zwischen Achsenmyopie und Brechungsmyopie. Während die Brechkraftzunahme bei Achsenmyopie durch eine verlängerte Augenachse entsteht, ist die Länge der Augenachse bei Brechungsmyopie normal, die Brechkraft dagegen erhöht. Die Achsenmyopie ist diesbezüglich deutlich häufiger anzutreffen. Je nachdem, wie stark der Brechwert vom Normalzustand abweicht, lassen sich Myopien dabei in drei Schweregrade unterscheiden:
- leichte Kurzsichtigkeit – die Brechkraft ist um -3 Dioptrien oder weniger verringert
- moderate Kurzsichtigkeit – die Brechkraft ist um -3 bis -6 Dioptrien verringert
- starke Kurzsichtigkeit – die Brechkraft ist um -6 Dioptrien oder mehr verringert. Diese Form der Kurzsichtigkeit ist auch als Myopia magna bekannt
Ursachen für Kurzsichtigkeit
Bislang sind nicht alle Ursachen für Myopie vollständig geklärt. Generell kommen jedoch zahlreiche Einflussfaktoren für die Entstehung einer erhöhten Brechkraft in Frage. Hier ein kleiner Überblick zu möglichen Auslösern:
- genetisch bedingte Anomalien des Auges: Als Ursache für Achsenmyopie gesichert sind erblich bedingte Verlängerungen der Augenachse. Ebenso können verstärkte Linsen- oder Hornhautkrümmungen, die zu einer Brechungsmyopie führen, durch genetische Faktoren begünstigt werden. Ist eine genetische Disposition gegeben, tritt Kurzsichtigkeit bereits im Kindesalter auf und verstärkt sich in den ersten 30 Lebensjahren.
- Entwicklungsstörungen: Interessanter Weise tritt die Achsenmyopie bei Frühgeburten wesentlich häufiger auf als bei Normalgeburten. Es wird daher vermutet, dass auch eine gestörte bzw. verzögerte Entwicklung zur Entstehung von Kurzsichtigkeit beiträgt. Die Annahme wird durch zahlreiche Körperbehinderungen (z.B. spastische Lähmungen oder Missbildungen) bekräftigt, die mit starker Myopie einhergehen. Darüber hinaus kann die Augenentwicklung in der Kindheit und Jugend durch Mangelernährung und schädliche Überanstrengungen der Augen beeinträchtigt werden.
- Bildschirmarbeit: Viele Bürokräfte klagen mit voranschreitendem Alter über Kurzsichtigkeit. Ob Bildschirmtätigkeiten aber tatsächlich eine Myopie begünstigen, ist unter Medizinern bislang noch umstritten. Fest steht aber, dass sich die Augen ab einem gewissen Punkt an die Wahrnehmung von Nahobjekten gewöhnen können. Ohne geeignetes Sehtraining kann sich die Fernsicht von Menschen, die beruflich überwiegend ihre Nahsicht fordern, darum durchaus verschlechtern.
- schlechte Beleuchtung: Ebenfalls häufig als Ursache für Kurzsichtigkeit genannt wird das gehäufte Lesen oder Sehen bei unzureichender Beleuchtung. Und tatsächlich befördert eine schlechte Bildqualität auf der Netzhaut die Entstehung von Myopie. Tritt die Kurzsichtigkeit diesbezüglich gezielt bei Sichtverhältnissen mit niedrigem Kontrast, etwa bei Dämmerung, Nacht oder Nebel auf, so spricht man auch von Nachtkurzsichtigkeit oder Dämmerungsmyopie.
- Verspannungen: Stark unterschätzt werden Sehprobleme als Ursache muskulärer Verspannungen. Vor allem ein verkrampfter Augenmuskel (Akkomodationsspasmus) kann die Wahrnehmung von weit entfernten Objekten behindern und so eine Kurzsichtigkeit hervorrufen. Da entsprechende Muskelverspannungen maßgeblich durch anhaltende Sehanstrengungen verursacht werden, liegt hier womöglich der wahre Grund für Myopien, die nach Lesen bei schlechter Beleuchtung oder exzessive Computerarbeiten entstehen.
- Vorerkrankungen: Die Brechungsmyopie kann neben einer verstärkten Krümmung der Hornhaut oder Linse auch durch einen getrübten Linsenkern entstehen. Nicht selten ist dabei ein grauer Star für die Linsenmyopie verantwortlich. Ebenso können Erkrankungen der Netz- bzw. Hornhaut, des Gehirns (z.B. Hirntumor) oder des Stoffwechsels (z.B. Diabetes mellitus) eine Myopie hervorrufen.
Symptome bei Kurzsichtigkeit
Das Hauptsymptom von Kurzsichtigkeit ist freilich eine schlechte bzw. verschwommene Fernsicht. In der Regel machen sich entsprechende Fehlsichtigkeiten schon in jungen Jahren, etwas zwischen dem 9 und 13 Lebensjahr bemerkbar und beginnen mit einer verschlechterten Fernsicht bei Nacht. In Abhängigkeit von den Ursachen können zudem auch weitere Beschwerden auftreten. Unterscheiden lässt sich dabei in zwei symptomatische Formkreise:
- einfache Myopie (Myopia simplex) – Die auch als Schulmyopie bekannte Myopia simplex stellt die häufigste Form der Kurzsichtigkeit dar und ist einer Achsenmyopie geschuldet. Neben der für Myopie typischen erschwerten Fernsicht fällt die einfache Myopie durch besondere Veränderungen des Glaskörpers auf. Dieser kann sich dem Wachstum der verlängerten Augenachse oftmals nicht ausreichend anpassen und provoziert deshalb Sehstörungen, der Patienten wie kleine, fliegende Mücken vor dem inneren Auge wahrnehmen. Im Sehtest reicht der verminderte Brechwert bei Myopia simplex für gewöhnlich bis -6 Dioptrien.
- krankhafte Myopie (Myopia progressiva) – Charakteristisch für Myopia progressiva ist, dass sie durch Einblutungen in den Gelben Fleck der Netzhaut eine dunkel pigmentierte Narbe provoziert, den sogenannten Fuchs-Fleck. Zusätzlich kann es krankheitsbedingt zu Netzhautablösungen kommen. Der Grad der Kurzsichtigkeit nimmt Myopia progressiva im Laufe des Lebens häufig stark zu und ergibt im Sehtest einen Wert von -6 Dioptrien oder mehr.
Diagnose und Therapie
Die Kurzsichtigkeit selbst kann beim Augenarzt durch einen herkömmlichen Sehtest diagnostiziert werden. Verschiedene Testmethoden, wie das Lesen von kleiner werdenden Buchstabenreihen sind hier allgemein üblich. Zur Korrektur der Myopie ist ferner eine Refraktionsmessung notwendig. Hierbei wird durch das Vorhalten verschiedener Korrekturgläser der genaue Brechwert in Dioptrien ermittelt. Eine Behandlung der Kurzsichtigkeit kann dann wie folgt aussehen:
- Augentraining: Leichte Formen der Myopia können hin und wieder durch gezieltes Augentraining behoben werden. Vor allem durch Muskelverspannungen entstandene Kurzsichtigkeit spricht gut gezielte Übungen an. Lassen Sie Ihr Auge zu diesem Zweck mehrmals hintereinander schnell von der Nah- in die Fernsicht wechseln. Ergänzend ist es wichtig, das Auge künftig nicht zu überanstrengen und im ausreichende Erholung zukommen zu lassen.
- Einsatz von Sehhilfen: Stärkere Myopien erfordern gemeinhin die Nutzung von Sehhilfen. In Frage kommen sowohl Brillen als auch Kontaktlinsen, wobei darauf hingewiesen sei, dass Kontaktlinsen nicht von allen Patienten vertragen werden. Außerdem birgt das Einbringen der Linsen ins Auge gewisse Risiken. So kann eine falsche Handhabung zum Beispiel zu Schäden am Auge führen. Ebenso zeigen die Augen mancher Menschen deutliche Abwehrreaktionen auf den Fremdkörper und reagieren nach dem Einsatz mit Rötungen, Schwellungen, Fremdkörpergefühlen und Augenbrennen. Im Zweifelsfall ist das Tragen einer Brille deshalb vorzuziehen.
- Augenoperation: Alternativ zum Einsatz von Sehhilfen gibt es heutzutage die Möglichkeit, eine bestehende Myopie durch Augenlasern zu korrigieren. Im Zuge der Operation lässt sich die Brechkraft der Hornhaut oder Linse dahingehend verändern, dass Lichtstrahlen wieder auf und nicht vor der Sehgrube abgebildet werden. Dies kann entweder durch das Abtragen von Hornhautgewebe oder das Einsetzen von Kunststoffringen oder künstlichen Linsen geschehen.
Kurzsichtigkeit – Verlauf, Komplikationen und Prävention
- Vollständig heilen lässt sich eine Myopie ohne operative Eingriffe nicht. Und selbst dann kann eine Kurzsichtigkeit über die Jahre hinweg wieder schlechter werden. Ob eine Brechkraft ohne Operation konstant bleibt oder stärker wird, ist von Fall zu Fall verschieden. Zeigen sich Symptome einer Myopia progressiva ist jedoch meist mit einer Verschlechterung der Sehfähigkeit zu rechnen.
- Komplikationen entstehen bei Myopie maßgeblich nur eine fortschreitende Sehverschlechterung. Gerade Myopia progressiva und Myopia magna zeichnen sich hierbei durch starke Beeinträchtigungen des Sehvermögens aus. Behandlungsmaßnahmen wie das Tragen von Kontaktlinsen oder Augenlasern bergen zudem das Risiko bleibender Augenschäden. Die Art der Therapie will darum wohl überlegt sein, zumal Kontaktlinsen und Operationen eher kosmetische Therapiemaßnahmen sind.
- Vorbeugen lässt sich einer Kurzsichtigkeit nur schwer. Lediglich erworbene Myopien sprechen auf Präventivmaßnahmen wie die Vermeidung von Augenkrankheiten und Überanstrengungen der Augen an. Da die angeborene Myopie aber deutlich häufiger auftritt, ist eine geeignete Prävention in den meisten Fällen nicht gegeben.
Fazit
Die Kurzsichtigkeit resultiert aus einer zu starken Brechkraft des Auges, welche zu einer Abbildung von weiter entfernten Objekten vor der Netzhaut führt. Als Ursache kommen verschiedene Abweichungen der Augenanatomie sowie Umwelteinflüsse in Betracht. Leider ist Myopie nicht vollständig therapierbar, weshalb Sehhilfen und Operationen bislang die beste Wahl sind, um die Fehlsichtigkeit zu korrigieren.