Viele kennen Echtes Johanniskraut (Hypericum perforatum) als zuverlässiges Antidepressivum. Dabei steckt noch weitaus mehr in dem pflanzlichen Arzneimittel. Als Tinktur hilft Johanniskraut beispielsweise gegen Zahnschmerzen und -entzündungen. Johanniskrautöl, auch Rotöl genannt, eignet sich hingegen bei Zerrungen, Quetschungen und Hautproblemen.
Es profitieren also nicht nur Menschen mit schweren Depressionen von der heilsamen Wirkung des Hypericum perforatum. In unserem Ratgeber möchten wir Ihnen mehr zur Nutzung von Johanniskraut als Heilpflanze bei einer depressiven Verstimmung sowie anderen Leiden zeigen
Woher stammt Johanniskraut? – Einzelheiten zur Geschichte des Hypericum perforatum
Johanniskraut ist eine gelb blühende, gut 15 cm hohe Pflanze aus der Gattung der Johanniskrautgewächse (Hypericeae). Sowohl der Pflanzen- als auch der Gattungsname gehen dabei auf die altgriechischen Wörter hyper und ereikon zurück. Übersetzt bedeuten sie so viel wie ‚auf der Heide bzw. neben Heidekräutern wachsend‘ und geben damit den liebsten Standort der Johanniskräuter in ihrer eurasischen Heimat wieder. Der botanische Zusatz perforatum beschreibt darüber hinaus die durch Öldrüsen gepunktet bis perforiert erscheinenden Blätter der Pflanze.
Ebenfalls dem Altgriechischen zu verdanken ist das Wissen um die Heilwirkung des Johanniskrauts bei Depressionen und der Behandlung von Wunden. Außergewöhnlich war seiner Zeit auch die rote Farbe, die das Arzneimittel bei zerreiben der Blüten an den Fingern hinterließ. Die färbenden Eigenschaften von Johanniskrautöl, welche mit heilendem Gottesblut gleich gesetzt wurden, sorgten schließlich für entsprechende Beinahmen wie Blutkraut, Elfenblut oder Herrgottsblut. Insbesondere die Germanen gingen davon aus, dass es sich bei den Säften des Johanniskrauts um Blutstropfen ihres Sonnengottes Baldur handelte. Dieser verlieh schon dem Baldrian seinen bedeutungsvollen Namen und diente im Falle von Johanniskraut abermals als Pate für entsprechende Beiname. Kein Wunder also, dass heidnische Sonnwendriten zu Ehren Baldrus stets die Verwendung von Johanniskraut oder Johanniskrautöl beinhalteten.
Zu Zeiten der Christianisierung wurden zahlreiche heidnische Bräuche, sowie Bezeichnungen für Kräuter an die kirchliche Glaubensdoktrin angepasst. Das Sommersonnwendfest wurde in den Johannistag umgetauft und vom gleichnamigen Ritus des Johannisfeuers begleitet. Auch schrieb man die Heilkraft von Johanniskraut nicht länger dem germanischen Gott Baldur, sondern Johannes dem Täufer zu, nach dessen Hinrichtung die Pflanze am Ort des Blutvergießens erwachsen sein soll.
Das heilsame Blut mystischer Wesen – Über die Heilwirkung von Johanniskraut
Zum ersten Mal als Arzneimittel erwähnt wurde Johanniskraut vor mehr als 2.000 Jahren durch den Heilkundigen Plinius. In seiner botanischen Enzyklopädie ‚Naturalis Historia‘ schrieb er Hypernicum perforatum eine lindernde Wirkung bei Verbrennungen zu und legte somit den Grundstein für die Erfolgsgeschichte der Pflanze im Rahmen der Heilkunde.
Die Eignung von Johanniskraut als Antidepressivum entdeckte man hingegen erst im Mittelalter. Weil sich Arzneimittel aus Hypericum offensichtlich belebend auf Patienten mit Depressionen und depressiven Verstimmungen auswirkten, entstand der mittelalterliche Aberglaube, das Heilkraut vertreibe teuflische Einflüsse aus dem Geiste der Betroffenen. In Anlehnung an den mystischen Ursprung wurde das Herrgottsblut von da an als beliebte Ritualpflanze für Teufelsaustreibungen und spirituelle Reinigungen genutzt. Beinamen wie Hexenkraut, Jageteufel, Teufelsflucht dürften auf eben diese Nutzung zurückgehen.
„Johanniskraut hilft gegen den Schwindel und gegen die fürchterlichen, melancholischen Gedanken.“
(Johann Hieronymus Kniphof – ‚Botanica in originali‘)
Einen weitaus wissenschaftlicheren Blick auf Arzneimittel aus Johanniskraut gab es erst ab dem 16. Jahrhundert wieder. Natur- und Medizinkundige wie Paracelsus und Johann Hieronymus Kniphof bestätigten nicht nur die nervliche Heilwirkung von Hypericum perforatum bei Depressionen und einer ähnlichen depressiven Verstimmung, sondern auch die Wirksamkeit des Johanniskrauts gegen entzündliche Wunden, Hautprobleme und Störungen des Bewegungsapparats. Selbst bei Zahnschmerzen oder dem Ziehen von Weisheitszähnen erwies sich Johanniskraut als zuverlässiges Schmerzmittel, sodass sich der Pflanze heute positive Effekte auf folgende Beschwerden zuschreiben lassen:
- Beschwerden des Bewegungsapparats
z.B. Ischias, Rückenschmerzen, Verstauchungen, Verrenkungen oder Zerrungen - Beschwerden und Wunden im Mundraum
z.B. schmerzhafte Zahnoperationen, Zahnfleischentzündungen oder Zahnschmerzen - Frauenleiden
z.B. Menstruations- oder Wechseljahresbeschwerden - Hautprobleme
z.B. Beulen, Geschwüre, schlecht heilende Wunden oder Verbrennungen - Nervenleiden
z.B. körperlich bedingte Depressionen, Epilepsie, Kopfschmerzen, Migräne und Unruhezustände - Verdauungsprobleme
z.B. Appetitlosigkeit oder Magen-Darm-Erkrankungen - Depressionen
z.B. bei einer psychisch bedingten depressiven Verstimmung, Melancholie
Inhaltsstoffe von Hypericum perforatum
Johanniskraut eignet sich vor allem deshalb als Antidepressivum, weil die Pflanze einen hohen Gehalt an stimmungsaufhellenden Inhaltsstoffen aufweist. Hierzu zählen insbesondere gelblich färbende Hyperforine und rötlich färbende Hypericine, die Johanniskrautöl und -tinktur ihre einzigartige Farbe verleihen. Beide Substanzen kommen ausschließlich in Johanniskrautgewächsen vor und besitzen einen entspannenden Effekt auf das Nervensystem, was sowohl bei Depressionen, einer depressiven Verstimmung als auch bei Magen- und Unterleibskrämpfen hilfreich sein kann.
Für die antibakteriellen Eigenschaften des Johanniskrauts sind hingegen Flavonoide verantwortlich. Sie machen Hypericum perforatum auch zu einem exzellenten Mittel gegen Zahnfleischentzündungen und Wunden. Daneben beinhaltet Johanniskraut folgende Wirkstoffe:
- ätherische Öle
- Bitterstoffe
- Gerbstoffe
- Phloroglucinderivate
- Pseudohypericin
- Xanthone
Wissenswertes: Die Hypericine im Johanniskraut besitzen neben ihrer beruhigenden Wirkung gegen Depressionen auch phototoxische Eigenschaften (erhöhen die Lichtempfindlichkeit der Hautpigmente), weshalb man im Mittelalter annahm, die blutrote Johanniskrautsubstanz enttarne lichtscheue Kreaturen, wie Dämonen, Hexen oder Vampire.
Anwendung und Nebenwirkungen – Johanniskraut mäßig dosieren
Nach dem Ziehen eines Weisheitszahns schwören viele auf Mundspülungen mit Johanniskrauttinktur. Das Extrakt beruhigt zum einen die tiefen Operationswunden im Zahnfleisch. Zum anderen desinfiziert es das Mundmileu, was Entzündungen hemmt und die Heilung beschleunigt. Auch bei anderen Beschwerden im Mundraum, Gemüts-, Magen- und Unterleibsverstimmungen können Sie eine Tinktur aus Johanniskraut problemlos anwenden. 20 bis 50 Tropfen dreimal täglich eingenommen, sollten dann baldige Linderung verschaffen.
Für eine Tasse Tee aus Johanniskraut, etwa um das Arzneimittel geringer zu dosieren, nehmen Sie am besten ein bis zwei Teelöffel getrocknete Pflanzenteile. Zwei Tassen des Kräutersuds pro Tag reichen dabei völlig aus. In Sachen äußere Anwendung auf Wunden, Zerrungen oder ähnliches empfiehlt sich das Einreiben mit Johanniskrautöl.
Nebenwirkungen: Da Johanniskraut die Lichtempfindlichkeit erhöht, sollten Sie gerade während einer Einnahme im Sommer vorsichtig beim Aufenthalt in praller Sonne sein. Leichte Hautverbrennungen sind hier nicht auszuschließen. Ebenso ist eine abschwächende Wirkung von Präparaten aus Johanniskraut auf andere Arzneimittel wie Antidepressiva, Antiepileptika, Herz-Kreislauf-Medikamente und Verhütungsmittel bekannt.
Insgesamt darf eine Behandlung mit Hypericum perforatum nicht länger als sechs Wochen durchgeführt werden. Schwangere und stillende Frauen sollten zur Vermeidung unerwünschter Nebenwirkungen gänzlich auf Johanniskraut verzichten. Eine depressive Verstimmung und stärkere Depressionen lassen sich aber durchaus auf andere Weise lindern. In Zusammenarbeit mit dem eigenen Hausarzt werden auch Sie hier entsprechende Lösungsansätze finden.
Fazit
Johanniskraut ist ein uraltes, durchaus wirksames Antidepressivum und hilft zudem bei Nervenverspannungen und entzündungsgefährdeten Wunden. Allerdings erhöht die Heilpflanze auch die Lichtempfindlichkeit und kann zu Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten wie Antidepressiva führen. Seien Sie bei der Dosierung also vorsichtig. Sollten Sie sich an diese Vorgaben halten, lässt sich eine depressive Verstimmung jedoch auf pflanzlicher Basis mitunter sehr gut in den Griff bekommen. Bei Unsicherheiten oder richtig starken Depressionen und der Einnahme von Antidepressiva sollten Sie aber dennoch vorher einen Arzt um Rat fragen und die Dosierung eventuell gemeinsam festlegen.