Die Europäische Kommission hat ein Ziel gesetzt, bis 2023 eine Weiterentwicklung der Strategie zur psychischen Gesundheit vorzulegen. Um dieses Ziel zu erreichen, fordern Expert:innen und Politiker:innen auf europäischer Ebene die Einführung eines EU-weiten Aktionsplans. Im November unterzeichneten mehrere Expert:innen und Politiker:innen das Memorandum zur Förderung psychischer Gesundheit in Europa, welches auf der internationalen Konferenz „Resilient Mental Health in the EU“ vorgestellt wurde. Darin bekräftigten sie ihren Willen, den psychischen Gesundheitsstandards in der EU eine höhere Priorität einzuräumen. Auch Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen betonte in ihrer Rede zur Lage der Union im September die Wichtigkeit des Themas. Sie erklärte, dass Verbesserungen im Bereich psychischer Gesundheit für manche europäische Mitbürger:innen lebensrettend seien.
Die Europäische Union befindet sich in einer herausfordernden Situation. Neben den wirtschaftlichen Folgen des Lockdowns, dem Krieg in der Ukraine und den steigenden Lebenshaltungskosten müssen auch die Auswirkungen auf die psychische Gesundheit der Bürger:innen berücksichtigt werden. Dies zeigt sich durch ein erhöhtes Risiko von Depressionen und Angstzuständen in ganz Europa. Obwohl die europäischen Gesundheitsdienste die neu entstandene Lage zu bewältigen versuchen, bestehen weiterhin systemische Schwierigkeiten; vor allem Personalmangel sowie knapper Platz lassen eine umfassende Behandlung nicht zu. Im Jahr 2019 gab es in der EU lediglich 73 psychiatrische Betten pro 100.000 Einwohner:innen, wobei Belgien das höchste Verhältnis und Italien das niedrigste hatte. Der stellvertretende tschechische Gesundheitsminister Jakub Dvořáček sagte hierzu: „Wenn wir in der Lage sind, viel Druck beim Thema Onkologie auszuüben, müssen wir das Gleiche in anderen Bereichen [und Problemen] des Gesundheitswesens tun“ – angelehnt an den europaweit bekannten Plan zur Krebsbekämpfung. Es ist unverzichtbar, dass nun Maßnahmen entwickelt werden, welche die psychische Belastung für alle EU-Bürger:innen minimieren und deren Wohlbefinden optimieren.
In der Europäischen Kommission ist seit Beginn der Coronapandemie ein stetiger Strom an Gesundheitsdossiers zu verzeichnen, um auf die zahlreichen Herausforderungen reagieren zu können. Radka Maxová, die sozialdemokratische tschechische Europaabgeordnete, betonte dabei, dass psychische Gesundheit essenzieller Bestandteil einer funktionierenden Gesellschaft sei und in vielen Ländern der EU noch immer als Tabuthema gelte. Expert:innen fordern daher von den politischen Entscheidungsträgern, das Thema psychischer Gesundheit in bestehende Strukturen und Fonds der Gesundheits- und Sozialpolitik zu integrieren. Des Weiteren empfehlen sie den Mitgliedstaaten, nationale Pläne für psychische Gesundheit zu erstellen, die öffentliche Kommunikation über dieses Thema zu verbessern sowie Erfahrungen auszutauschen. In Bezug auf finanzielle Unterstützung, Datenerfassung und -analyse sowie Beteiligung von Menschen mit psychischen Erkrankungen bei Entscheidungsprozessen wird betont, dass all diese Schlüsselfaktoren für eine gelungene Umsetzung seien. Der Einsatz innovativer Ansätze bei der Behandlung psychischer Erkrankungen – wie etwa die therapeutische Anwendung psychedelischer Substanzen – wurde ebenfalls hervorgehoben. Letztlich warnen europäische Abgeordnete vor einer „globaler Krise der psychischen Gesundheit“ und appellieren an die EU, umfassende Maßnahmen gegen dieses Problem zu ergreifen.