Eigentlich ist das Erröten eine völlig natürliche Reaktion der Haut. Diese entsteht neben dem Aufkommen von Schamgefühlen zum Beispiel auch bei hohen Temperaturen, extremer körperlicher Betätigung oder Stress. Für Menschen mit Errötungsangst (Erythrophobie) stellt das Rotwerden allerdings eine besonders belastende Situation dar, die Betroffene in panische Angst versetzt. Patienten mit Erythrophobie meiden deshalb häufig soziale Kontakte und Situationen, in denen sie ein Erröten befürchten. Erfahren Sie in diesem Beitrag mehr zu den Ursachen für die Angst vor dem Rotwerden und was sich dagegen unternehmen lässt.
Wie äußert sich Erythrophobie?
Das Erröten der Haut (med. Flush) ist eine normale Körperreaktion auf physisch oder psychisch belastende Situationen. Dabei kommt es im Körper zu einer plötzlichen Weitung der Blutgefäße, die vom Sympathikus des vegetativen Nervensystems gesteuert wird. Durch diese Gefäßerweiterung nimmt vor allem das Blutvolumen in stark durchblutetem Hautgewebe wie dem des Gesichtes sowie der Hals- und Nackenpartie rapide zu. Die Körperregionen erscheinen in Folge leicht bis stark gerötet. Erythrophobie beschreibt nun die chronische Angst, den beschriebenen Zustand des Errötens zu erleben. Das Angstverhalten wird verstärkt, wenn Betroffene beim Erröten eine negative Resonanz aus ihrem sozialen Umfeld erhalten. Dies kann etwa durch Belustigung oder starrende Blicke geschehen.
Oft gelten die Reaktionen anderer auf Eryhtrophobie häufig gar nicht dem Erröten des Patienten selbst, sondern seinem auffällig schamhaften Verhalten im Umgang mit seiner Angst (z.B. durch abruptes Verstecken des Kopfes unter der Kleidung). Außenstehenden sind Angsterkrankungen dieser Art oftmals völlig unbekannt ist, weshalb sie irritiert auf das phobische Verhalten reagieren. Bei Erythrophobikern kommt es in diesem Zusammenhang meist zu einer Fehlinterpretation, weil sie glauben, ihr Rotwerden sei unnatürlich und errege deshalb die Aufmerksamkeit Anderer. Dies hat zur Folge, dass sich der Patient nur noch mehr auf seine Phobie fixiert und sein Drang zur Vermeidung stetig intensiver wird. Hinzu kommt, dass die Angstzustände körperliche Stressreaktionen wie Schweißfluss, Herzrasen und Hitzewallungen befördern. Dies begünstigt wiederum vermehrtes Erröten. Ein Teufelskreis also, der vor allem aus der verzerrten Wahrnehmung des Betroffenen und dessen Vermeidungsverhalten resultiert.
Ursachen für Errötungsangst
Die Gründe für Erythrophobie sind in vielen Fällen echten negativen Erfahrungen mit sozialen Kontakten geschuldet. Daneben spielt eine gestörte Selbstwahrnehmung eine entscheidende Rolle für die Entstehung der Angst. Hier ein kleiner Überblick zu möglichen Ursachen:
- traumatische Kindheitserlebnisse: Schamgefühle, die eine unangenehme Kindheitserinnerung ans Rotwerden wecken, zählen zu den häufigsten Ursachen für Erythrophobien. Vor allem Traumata, wie sie in der Kindheit durch Mobbing oder peinliche Kontrollverluste in der Öffentlichkeit (z.B. Einnässen vor den Augen anderer) entstehen, können für eine panische Angst sorgen, sich zu blamieren und deshalb Scham über ihr Rotwerden empfinden.
- gestörtes Selbstbild: Unsicherheiten im eigenen Verhalten oder der eigenen Selbstwahrnehmung begünstigen ebenfalls die Entstehung einer Erythrophobie. Vor allem Wertung des eigenen Erscheinungsbilds als Grund für negative Resonanz aus dem sozialen Umfeld kann die verzerrte Wahrnehmung bei Angst vor dem Erröten befeuern. Im Gegenzug dazu reflektieren Erythrophobiker ihr eigenes Vermeidungsverhalten oft nicht ausreichend. Sie sehen die Zusammenhänge zwischen ihrem Verhalten und den Reaktionen der Außenstehenden nicht. Deshalb kommt es mit Blick auf die eigene Person zu falschen Interpretationen.
- emotionale und sexuelle Störungen: Eine Studie deckte auf, dass Erythrophobien immer wieder auf einer übersteigerten Fokussierung auf das Erröten als sichtbares Anzeichen körperlicher Erregung zurückzuführen ist. Auch berichten Erythrophobiker darüber, dass ihre Angst ihren Höhepunkt in Situationen erreicht, in denen sie den Gegenüber attraktiv finden oder sexuell erregt sind. Dies lässt den Schluss zu, dass die Angst vor dem Rotwerden unter anderem auch durch überzogene Scham vor erotischen Gefühlen und die Sorge entstehen kann, dass andere einem diese Gefühle ansehen.
- körperliche Ursachen: Selten hat die Angst vor dem Erröten auch krankheitsbedingte Ursachen. Menschen, die zum Beispiel an Bluthochdruck, Couperose oder Rosaze leiden, haben häufiger mit geröteten Hautpartien im Gesicht zu kämpfen. Dass ihre Krankheit von außen so leicht zu erkennen ist, empfinden Betroffene dann meist als unangenehm. Sie befürchten negative Wertungen von Außenstehenden, weshalb sie versuchen, ihre Erkrankung zu verstecken.
Symptome bei Erythrophobie
Am auffälligsten ist bei Erythrophobie das neurotische Vermeidungsverhalten des Patienten. Er versteckt sich und seine geröteten Körperpartien in für andere oft unnachvollziehbaren Situationen. Zudem gibt es eine Symptome, die als Körperreaktion auf den anhaltenden Angstzustand in Erscheinung treten. Hierzu zählen:
- Erröten
- Hitzegefühle
- Herzrasen
- Zittern
- Stottern
- starkes Schwitzen
- Übelkeit
Diagnose und Therapie bei Errötungsangst
Eine Errötungsangst sollte dringend in einer Verhaltenstherapie behandelt werden, wenn die Phobie das Alltags- und Berufsleben des Patienten nachhaltig einschränkt. In der Regel werden Erythrophobien von einem Psychologen diagnostiziert. Dieser fragt den Patienten zunächst nach auftretenden Beschwerden und zu möglichen belastenden Schlüsselerlebnissen die zu ihrer Angst geführt haben könnten.
Anschließend muss eine individuelle Therapie erarbeitet werden, in der der Patient wichtige Verhaltensweisen im Umgang mit seiner Angst sowie eine positive Selbstreflexion vermittelt bekommt:
- Verhaltens- und Konfrontationstherapie: Innerhalb einer psychologischen Therapie werden bei Erythrophobie Verhaltensstrategien erlernt, die einen offensiven Umgang mit der Phobie ermöglichen. Hierzu wird der Patient auch gezielt belastenden Situationen ausgesetzt, die seine Erwartungsangst wecken. Durch diese Konfrontation mit psychologischer Unterstützung wird es möglich, der gefürchteten Situation bewusst entgegen zu treten und die Angst davor zu besiegen. Ebenso ist es wichtig, das Selbstbewusstsein und die Emotionalität des Patienten zu stärken, damit er lernt, sich selbst richtig zu reflektieren.
- autogenes Training: Durch entspannende Übungen wie Meditation oder auch autogenes Training kann die eigene Selbstwahrnehmung verbessert und bewusst Wohlbefinden und Zufriedenheit antrainiert werden. Das Entspannungstraining ermöglicht Betroffenen, die Dinge mit mehr Gelassenheit zu betrachten und sich weniger in ihre Angst vor dem Erröten hineinzusteigern.
- Operation: In stark ausgeprägten Fällen kann innerhalb einer operativen Sympathektomie der für das Erröten verantwortliche Sympathikusnerv blockiert werden. Der Eingriff erfolgt endoskopisch im Brustraum, in dem die betroffenen Nervenstränge mit einer kleinen Metallklammer abgeklemmt werden. Eigentlich hat eine solche Operation nur einen Placeboeffekt, denn dass Erythophobiker tatsächlich häufiger erröten als Nicht-Phobiker, ist bislang nicht bewiesen. Allerdings kann die Gewissheit, dass der Körper nicht mehr zum Rotwerden fähig ist, Betroffenen meist zuverlässig die Angst davor nehmen.
Erythrophobie – Verlauf, Komplikationen und Prävention
- Da sich eine Erythrophobie nur selten von selbst bessert, sollten sich Betroffene frühzeitig in psychologische Behandlung geben, damit sich die Errötungsangst nicht weiter verschlimmert. Bei konsequenter Verhaltenstherapie lassen sich dann viele Angsterkrankungen dieser Art erfolgreich oder zumindest teilweise beheben.
- Ohne geeignete Behandlung drohen Erythrophobikern durch ihr ausgeprägtes Vermeidungsverhalten zahlreiche Probleme. Ihre selbstgewählte Isolation führt rasch zur Vereinsamung. Der Anteil an Arbeitslosen, Berufsunfähigen und Frührentnern ist unter Patienten mit Erythrophobie besonders hoch.
- Abschließend ein wichtiges Wort an Erythrophobiker: Um Ihrer Errötungsangst aktiv begegnen zu können, sollten Sie sich immer wieder vor Augen führen, dass ein gerötetes Gesicht zum einen kaum auffällt und zum anderen -wirklich- ganz normal ist. Keiner wird Sie verurteilen, weil sie hin und wieder rote Bäckchen haben oder Ihnen die Hitze sichtlich zu schaffen macht. Auch Schamesröte ist kein Grund, um Angst davor zu entwickeln. Wenn Sie dennoch negative Reaktionen befürchten, kann es helfen, sich bereits im Vorfeld humorvolle Aussagen zu überlegen, die Sie anderen bei entsprechenden Kommentaren entgegnen können.
Fazit
Bei einer Erythrophobie leiden Betroffene unter der starken Erwartungsangst, das Erröten ihres Gesichtes könnte in der Umwelt zu negativen Reaktionen führen. Der Grundstein für Erythrophobien wird dabei häufig schon im Kindesalter gelegt, beispielsweise durch Hänseleien oder ein konditioniertes Schamverhalten in bestimmten Situationen. Erythrophobiker meiden aufgrund ihrer Angsterkrankung häufig soziale Situationen, was sie sehr schnell einsam werden lässt. Wichtig ist es darum, die Phobie frühzeitig durch eine geeignete Verhaltenstherapie zu behandeln, die Erythrophobikern beim Abbau ihrer Angstzustände hilft und ihnen begreiflich macht, dass ihre Errötungsangst völlig unbegründet sind.