Die Gabe von Psychopharmaka ist ein zweischneidiges Schwert, dennoch gibt es Situationen, die die Einnahme dieser Medikamente befürworten. Doch lassen sich die einzelnen Wirkstoffe der Medikamente nicht unbedingt miteinander vergleichen und einige erfordern ein besonderes Maß an Achtsamkeit. Hierzu zählt der Wirkstoff Diazepam.
Allgemeines zum Wirkstoff
Diazepam, zuerst von Leo Sternbach im Jahr 1963 unter dem Namen Valium entwickelt und vorgestellt, zählt zu der Gruppe der Benzodiazepine, eine Wirkstoffgruppe, die sedierend, beruhigend und entspannend wirkt. Der Wirkstoff stellt im menschlichen Organismus einen Modulator dar, der an den GABA-Rezoptoren andockt und die Wirkung des gleichnamigen Neurotransmitters verstärkt. Durch die verstärkte Wirkung des Transmitters werden die Nervenzellen beruhigt, sodass sich langsam ein beruhigender und sedierender Effekt einstellt. Dabei ist bei Diazepam besonders die hohe Bioverfügbarkeit zu beachten. Bereits kurz nach der Einnahme geht der Wirkstoff zu einhundert Prozent in den Organismus über, sodass die Medikamente eine rasche Wirksamkeit zeigen.
Wie wichtig der Wirkstoff in der heutigen Medizin ist, zeigt die Aufnahme in die Liste der unentbehrlichen Medikamente, die von der Weltgesundheitsorganisation geführt wird. Bereits im Jahr 1977 wurde Diazepam als Gel und Zäpfchen in die Liste aufgenommen und gilt seither als eines des wichtigsten Medikamente in der Behandlung von Epilepsie, Angststörungen und Schlafstörungen. Wie häufig das Mittel in der Praxis verschrieben wird, zeigen die Arzneimittelverordnungsreporte der vergangenen Jahre, die von Schwabe & Paffrath herausgegeben werden. So wurden Mittel mit dem Wirkstoff im Jahr
- 2005: 1 Million Mal ausgegeben (als Beiwirkstoff in Kombipräparaten 2 Mio.)
- 2007: 0,8 Mio
- 2009: 0,76 Mio
an Patienten verschrieben. Die rückläufigen Zahlen erklären sich mitunter aus den Nebenwirkungen, sowie der Verbesserung ähnlich wirkender Medikamente, die mit geringeren Nebenwirkungen belastet sind.
Medizinische Indikationen zur Vergabe
Nachdem der Wirkstoff stark sedierend, beruhigend und entspannend wirkt, kommt er überwiegend in besonderen Stresssituationen zum Einsatz. Der Hauptanwendungsgebiet betrifft die Behandlung von psychischen Erkrankungen, beispielsweise von
- Angststörungen/Panikstörungen
- Schlafstörungen
- Somatophorme Störungen (ähnlich der Hypochondrie)
- Epilepsie.
In einigen Fällen wird der Alkoholentzug in den ersten Wochen durch die Gabe von Diazepam unterstützt, allerdings besteht hier die Gefahr einer Kreuzabhängigkeit. Einige Kliniken verwenden die den Wirkstoff enthaltenen Mittel zusätzlich zur Sedierung im Vorfeld einer Operation, wobei die lange Wirksamkeit einen Nachteil darstellt und mittlerweile eher auf Mittel mit einer kürzeren Halbwertszeit zurückgegriffen wird.
Dosierung und Vergabe
Vorab ist zu sagen, dass Medikamente aus der Gruppe der Benzodiazepine grundsätzlich laut der ärztlichen Verordnung eingenommen werden müssen. Durch die rasche Wirksamkeit stellt sich der gewünschte Effekt zügig ein und hält über mehrere Stunden an. Die eigenständige Höherdosierung des Medikaments ist auf keinen Fall zu empfehlen und kann, in einigen Fällen, zum Atemstillstand führen. Die Medikamente sind als
- Tabletten
- Tropfen
- Zäpfchen
- Injektionen
erhältlich. Wird Diazepam gegen Angst- und Schlafstörungen verschrieben, wird zumeist auf die Tablettenform zurückgegriffen, da diese recht einfach zu dosieren ist. Bei akuten Angstzuständen und der hieraus folgenden Aufnahme in eine psychiatrische Klinik wird der Wirkstoff per Injektion vergeben.
Eine genaue Dosierung kann an dieser Stelle nicht genannt werden, da sich die Wirkstoffmenge anhand der Beschwerden und der körperlichen Verfassung des Patienten ausrichtet.
Wann darf der Wirkstoff nicht eingenommen werden?
Benzodiazepine besitzen eine atemberuhigende Wirkung und sind, trotz der recht überschaubaren Nebenwirkungen, kein zu unterschätzendes Medikament. Insbesondere sollten Patienten mit einer bestehenden Drogenabhängigkeit oder einer eventuell wieder aufkeimenden Drogenproblematik auf die Einnahme verzichten. Zudem darf der Wirkstoff nicht an Personen ausgegeben werden, die
- unter schweren Atemfunktions-/Lungenbeschwerden,
- Lebererkrankungen oder
- Muskelschwäche
leiden. Während der Schwangerschaft ist die Einnahme ebenfalls kontraproduktiv, da der Verdacht besteht, Fehlbildungen des heranwachsenden Kindes zu verursachen. Werden gleichzeitig Neuoleptika, weitere Sedative, Antidepressiva oder Mittel mit einer muskelentspannenden Wirkung eingenommen, ist ebenfalls Vorsicht geboten, da sich die Wirkung gegenseitig verstärken kann.
Nebenwirkungen bei der Einnahme
Die größte Problematik besteht in der langanhaltenden beruhigenden Wirkung. Nach der Einnahme fühlen sich die Patienten oftmals schläfrig und müde, das Reaktionsvermögen wird deutlich vermildert und die Muskelkraft schwindet. Während der Einnahme kann es mitunter zu
- Schwindel
- Kopfschmerzen, Benommenheit
- Konzentrationsstörungen
- Erregungszuständen
- Gangunsicherheiten kommen.
Wird der Wirkstoff über einen längeren Zeitraum eingenommen, besteht die erhöhte Gefahr einer körperlichen und psychischen Abhängigkeit, die in einem starken Persönlichkeitswandel und Gleichgültigkeit endet.
Als gefährlich wird die Einnahme mit Alkohol und Drogen beschrieben. Insbesondere Heroinabhängige versuchen durch den Mischkonsum mit Diazepam die Heroinwirkung zu verstärken, was zu einem Atemstillstand führen kann. Es wird vermutet, dass die überwiegende Anzahl der an einer Überdosierung gestorbenen Drogentoten auf der Mischeinnahme von Heroin, Alkohol und Benzodiazepinen beruht.
Verschreibungspflicht
Aufgrund der deutlichen Gefahr einer Abhängigkeit, der stark sedierenden Wirkung und der Gefahr einer Überdosierung ist Diazepam ausschließlich auf Rezept erhältlich. Das gilt sowohl für Medikamente, die ausschließlich auf den Wirkstoff beruhen als auch für Mischpräparate, denen Diazepam beigesetzt wird.
Wird der Wirkstoff verschrieben, die Packung jedoch nicht vollständig aufgebraucht, empfiehlt es sich, die Medikamente in der Apotheke zurückzugeben oder sorgfältig verschlossen über den Restmüll zu entsorgen. Gerade in Innenstadtbereichen, Regionen mit Kindern oder Drogenabhängigen sollte vermieden werden, dass Dritte Zugang zu Restbeständen erhalten.