Honigsüßer Durchfluss oder Zuckerkrankheit – die Rede ist von Diabetes mellitus. Umgangssprachlich einfach als Diabetes oder Zucker bezeichnet, galt die Erkrankung lange als Krankheit der Senioren und Ruheständler. Inzwischen ist aber klar, dass Diabetes bereits wesentlicher früher beginnt. Gerade die erworbene Form der Zuckerkrankheit – Diabetes Typ 2 – wird heute bereits in der Altersgruppe ab 40 oder noch früher diagnostiziert.
Wie viele Menschen leiden eigentlich an dieser Stoffwechselkrankheit? Je nach Quelle sind die Zahlen zwar unterschiedlich – aber dennoch jedes Mal beeindruckend. Im weltweiten Maßstab leiden inzwischen mehr als acht Prozent der globalen Bevölkerung unter Diabetes. Oder anders ausgedrückt: Mehr als 380 Millionen Menschen sind von der Zuckerkrankheit betroffen.
Diabetes – ein globales Phänomen
Allerdings sind nicht Europa oder die USA bei den Diabetes-Zahlen Spitzenreiter. Laut International Diabetes Federation (IDF) tragen der Westpazifik-Raum und Südostasien 213 Millionen Erkrankungen zur Statistik bei – Tendenz steigend. Für das Jahr 2035 rechnet man mit 592 Millionen Diabetikern weltweit. Und wie sieht die Situation in Deutschland aus?
Hier werden je nach Quelle unterschiedliche Zahlen genannt. Der Deutsche Gesundheitsbericht Diabetes 2014 (Herausgeber: diabetesDE – Deutsche Diabetes-Hilfe) hat mehrere Studien zum Thema gesammelt. In den aktuellen Untersuchungen wird die Häufigkeit diagnostizierter Fälle der Stoffwechselerkrankung mit circa 7,2 Prozent angegeben. Wird die Dunkelziffer von mehr als zwei Prozent hinzugerechnet, kommt man auf etwa 9,3 Prozent Diabetikern in Deutschland. Hochrechnungen der AOK aus den Behandlungen für das Jahr 2009 ergeben ein ähnliches Bild – es ist von circa acht Millionen Diabetikern deutschlandweit auszugehen.
- 387 Mio. Erkrankungen weltweit (46 Prozent ohne Diagnose)
- 52 Mio. Diabetiker in Europa
- 22. Mio. Diabetes-Fälle in Afrika
- 138 Mio. Diabetiker im Westpazifik-Raum
Im Vergleich zu anderen klassischen „Volkskrankheiten“ wie Bluthochdruck (Hypertonie), die teilweise rund ein Viertel der Bevölkerung treffen, betrifft Diabetes noch einen nur moderaten Bevölkerungsanteil. Allerdings muss die Betonung auf dem Wort „noch“ liegen. Gegenüber Schätzungen, die zehn bis 15 Jahre zurückliegen, hat sich die Zahl der Diabeteskranken um etwa die Hälfte erhöht. Ein Trend, der sich mit hoher Wahrscheinlichkeit auch in den kommenden Jahren fortsetzen wird.
Diabetes Typ 1 vs. Typ 2 – wo liegen die Unterschiede?
Diabetes ist nicht gleich Diabetes. Obwohl die Zuckerkrankheit immer auf der Tatsache beruht, dass ein Insulinmangel vorliegt und damit Glukose nicht mehr in die Zellen transportiert werden kann, es verbleibt im Blut, unterscheidet die Medizin verschiedene Krankheitstypen voneinander. Zu den Kernkriterien gehört die Ursache für den Insulinmangel. Letzterer muss nicht absolut sein – also die Insulinproduktion komplett ausfallen. Die Medizin kennt auch einen relativen Insulinmangel.
Dabei wird heute allgemein zwischen der Typ-1- und Typ-2-Diabetes unterschieden. Diabetes mellitus vom Typ 1 beruht auf einer Degeneration der sogenannten Langerhans-Inseln der Bauchspeicheldrüse. Diese sind für die eigentliche Produktion des Insulins verantwortlich. Eine Zerstörung der Zellen führt daher unweigerlich zum Ausfall der körpereigenen Insulinproduktion. Als Auslöser der degenerativen Veränderung kommen verschiedene Ursachen in Frage. Denkbar wäre eine Autoimmunerkrankung o. Ä.
Beim Typ 2 sind die Ursachen meist vielschichtiger. Zellen können auf die Anwesenheit des Insulins gedämpft reagieren, man spricht hier von einer Insulinresistenz. Gleichzeitig kann die Bauchspeicheldrüse durch den vermeintlichen Mangel zu einer höheren Produktion angeregt werden, es tritt parallel Hyperinsulinismus auf. Ebenfalls möglich ist hier ein relativer Insulinmangel, das Hormon ist zwar vorhanden – aber nicht in ausreichender Menge. Während die Diabetes vom Typ 1 nur einen Bruchteil der Diagnosen ausmacht – man spricht von einem Anteil, der zwischen fünf bis zehn Prozent liegt, ist Typ-2-Diabetes die mit Abstand häufigste Form der Zuckerkrankheit.
Die Medizin geht von circa 90 Prozent Typ-2-Diabetikern aus. Die Lücke zwischen beiden Varianten schließen andere Formen der Diabetes mellitus, wie beispielsweise Schwangerschaftsdiabetes. Letztere entsteht durch die zunehmende Platznahme des Fötus bei einem Teil der Schwangerschaften. Aber auch andere degenerative Prozesse der Bauchspeicheldrüse oder Arzneimittel haben Einfluss auf das Krankheitsgeschehen.
Diabetes Typ 1 | Diabetes Typ 2 | |
---|---|---|
Ursache: | absoluter Insulinmangel | Insulinresistenz, relativer Insulinmangel o. Ä. |
Häufigkeit: | 5 – 10 Prozent | ca. 90 Prozent |
Folgen: | oft nach kurzer Zeit spürbar | Kompensationseffekt, über Jahre symptomlos |
Behandlung: | medikamentös, Insulinersatz | Änderung Lebensstil, Insulinersatz |
Gibt es erbliche Faktoren als Ursache für Diabetes?
In der Wahrnehmung einer breiten Öffentlichkeit ist Diabetes eng mit dem „Wohlstandsbauch“ verknüpft. Allerdings gibt es Faktoren, die gegen eine solche grundlegende Assoziation sprechen. Beispiel: Es kann durch Autoimmunerkrankungen dazu kommen, dass der Körper (in Form der T-Zellen) die insulinproduzierenden Zellen der Bauchspeicheldrüse angreift. Die Folge ist eine Entzündungsreaktion und das Absterben der Zellen.
Inzwischen ist der Medizin auch bekannt, dass verschiedene Gene an der Entstehung der Stoffwechselerkrankung mitwirken können. Das Deutsche Diabetes-Zentrum (DDZ) der Deutschen Diabetes-Forschungsgesellschaft e.V. Düsseldorf beziffert die Zahl der mitwirkenden Genorte auf 40. Aber: Diabetes mellitus vom Typ 1 ist ein multifaktorielles Geschehen, es wirken meist mehrere Auslöser zusammen. So scheinen Studien darauf hinzudeuten, dass Viren bei der Diabetes als Folge einer Autoimmunreaktion eine Rolle spielen können.
Aber auch im Hinblick auf die Tpy-2-Variante können Erbfaktoren eine Rolle spielen. Beispielsweise kann der relative Insulinmangel bzw. die Insulinresistenz auf genetische Ursachen zurückzuführen sein. Auch hier spielen oft mehrere Faktoren in der Entstehung einer Diabetes zusammen.
Inwiefern wirkt der Lebensstil auf das Risiko?
Die Gene sind nur ein Teil der Antwort auf die Frage, warum wir an Diabetes mellitus erkranken. Die Zuckerkrankheit trifft gerade in der Typ-2-Form jene Personenkreise, bei denen bestimmte Faktoren zusammentreffen. Die Rede ist von:
- Übergewicht
- Adipositas
- Bewegungsmangel
- Bluthochdruck
- Störungen im Fettstoffwechsel
Meist kommt auch noch eine erhöhte Zuckerkonzentration im Blut vor. Zusammen führen diese Faktoren, welche allgemein als metabolisches Syndrom bezeichnet werden, zur Manifestation der Diabetes Typ 2. Auslöser, die in erster Linie dem Lebensstil geschuldet sind. Damit wird eines klar: Ein hoher Prozentsatz der heute diagnostizierten Diabetes-Erkrankungen hat seine Ursachen nicht in systemischen Defekten oder ist ausschließlich genetischer Natur. Der Lebensstil entscheidet maßgeblich mit, ob die Diabetes Typ 2 entsteht oder nicht.
Aber: Selbst wenn Sie unter Übergewicht (besonders gefährlich ist das Bauchfett) leiden oder Ihr Arzt bei Ihnen Hypertonie festgestellt hat – automatisch werden Sie nicht zum Diabetiker. Derzeit untersucht die Forschung verschiedene Ansätze, die einen Teil zum Verständnis der Erkrankung beitragen. Neben der Wirkung von Enzymen werden:
- genetische Risikofaktoren
- Stoffwechsel-Wechselwirkungen (z. B. Vitamin D vs. Diabetes)
- ernährungsphysiologische Ansätze usw.
in ihren Zusammenhängen mit Diabetes untersucht. Trotz dieser differenzierten Untersuchungsansätze muss klar festgehalten werden, dass der Lebensstil Auswirkungen auf das Erkrankungsrisiko hat. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund der verschiedenen Risikofaktoren, zu denen weitere hinzukommen. Auf Euroclinix.de werden die Risikogruppen genauer spezifiziert.
Inwieweit sind wir für unseren Lebensstil verantwortlich?
Mit circa 90 Prozent ist Diabetes vom Typ 2 die häufigste Form dieser Stoffwechselerkrankung. Durch die enge Assoziation mit dem metabolischen Syndrom liegt die Vermutung nahe, dass vor allem der Lebensstil Einfluss auf die Frage hat, ob Sie an Diabetes erkranken oder nicht. Wissenschaftlern und Medizinern ist aber schon seit längerer Zeit klar, wie wenig diese Aussage den Kern trifft. Genetische Faktoren spielen ebenfalls eine Rolle.
Allerdings haben unsere Gene nicht nur primär Einfluss auf das Diabetesrisiko. Beispiel: In einer Pressemitteilung weißt das Bundesforschungsministerium auf den Zusammenhang zwischen Übergewicht und genetischen Rahmenbedingungen hin. Erbfaktoren können dazu führen, dass Sie einfach schneller dick werden als Ihre Arbeitskollegen oder Freunde. Auf das Körpergewicht haben aber auch andere Faktoren Einfluss – wie Stress und Schlafmangel.
Und auch die beim metabolischen Syndrom immer wieder auftretenden Veränderungen im Fettstoffwechsel bzw. der Cholesterinspiegel werden durch Gene reguliert. Laut Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren kann eine bestimmte Genvariante den Cholesteringehalt im Blut deutlich senken.
Fazit: Diabetes – Volkskrankheit mit vielen Gesichtern
Diabetes wird als Volkskrankheit angesehen, die sich ausschließlich durch Veränderungen beim Lebensstil steuern lässt. Dies gilt sowohl für das Risiko überhaupt daran zu erkranken als auch die wirksame Behandlung. Der Blick auf die medizinischen Hintergründe macht klar, dass Diabetes als Stoffwechselleiden längst nicht so einfach zu betrachten ist. Vielmehr muss an dieser Stelle der multifaktorielle Rahmen des Krankheitsgeschehens berücksichtigt werden.
Einerseits kann Diabetes – sowohl vom Typ 2 als auch die Zuckerkrankheit vom Typ 1 – durch genetische Ursachen begünstigt werden. Auf der anderen Seite ist für einen Teil der Erkrankungen ein immunologischer Hintergrund anzunehmen. Daher muss für die eingangs gestellte Frage, ob die Erkrankung selbst verschuldet ist, eine eher differenzierte Antwort gegeben werden.
Dieser Grundsatz gilt im Übrigen auch dann, wenn man Verlaufsformen wie Schwangerschafts- oder Typ-1-Diabetes bei der Betrachtung außen vor lässt. Übergewicht, Störungen im Fettstoffwechsel oder Abweichungen beim Cholesteringehalt können genetisch bedingt sein. Trotzdem wäre es an dieser Stelle falsch, die Schuld an der stark steigenden Zahl der Diabetesfälle einzig und allein diesen Faktoren zuzuschreiben.
Der Lebensstil hat Einfluss auf das Risiko einer sich manifestierenden Diabetes. Wer unter Übergewicht leidet, sollte aktiv auf dessen Reduzierung hinarbeiten – durch eine ausgewogene und gesunde Ernährung sowie Sport. Denn neben einem detaillierten Wissen zu den Ursachen und Hintergründen der Erkrankung haben Mediziner auch herausgefunden, dass bereits etwas mehr Bewegung den Blutzuckerspiegel nachhaltig senken kann. Und auch in den Leitlinien zur Behandlung der Diabetes spielen die Veränderungen des Lebensstils eine herausragende Rolle. Denn durch Sport lässt sich nicht nur eine Reduzierung der medikamentösen Therapie erreichen – mitunter erreichen Betroffene wieder ihre frühere Lebensqualität zu nahezu 100 Prozent.