Die Menschen werden immer älterer in unserer Gesellschaft. Damit steigt auch die Zahl derjenigen, die von Demenz im Alter betroffen sind, wie der Demenz-Report des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung aufzeigt. Denn auch wenn die moderne Medizin in den letzten Jahrzehnten gewaltige Fortschritte bei der Bekämpfung von Krankheiten gemacht hat, ist sie gegen den Abbau von geistigen Fähigkeiten im Alter immer noch weitgehend machtlos.
Für Betroffene ist der damit verbundene Kontrollverlust eine einschneidende Erfahrung. Das gilt auch für ihr direktes Umfeld. Erschwert wird die Sache dadurch, dass Demenz in aller Regel einen schleichenden Prozess darstellt, der anfangs oft unentdeckt bleibt. Dass wir im Alter in vielem langsamer werden, ist schließlich normal und noch kein Anzeichen für einen ernsthaften Verfall. Doch wo genau lässt sich eine Grenze ziehen zwischen normalen Alterserscheinungen und einer beginnenden Demenz und was lässt sich in einem solchen Fall unternehmen?
Die Diagnose – Hinweise und Verdachtsmomente
Eine Diagnose auf Demenz kann nur der Fachmann stellen. In aller Regel ist die erste Anlaufstelle für Betroffene der Hausarzt. Erhärtet sich bei diesem der Verdacht, dass es sich um einen Fall von Demenz handelt, überweist er den Patienten an einen Neurologen oder Psychiater weiter. Dieser führt entsprechend Tests durch.
Dabei ist die Motivation bei älteren Menschen, sich auf Demenz untersuchen zu lassen, meist gering – verständlicherweise. Den Angehörigen kommt deshalb in dieser Hinsicht eine entscheidende Rolle zu. Doch welche Anzeichen gibt es, die es rechtfertigen, die eigenen Eltern oder Großeltern zu einem Arztbesuch zu drängen?
Auf eine beginnende Demenz deuten die folgenden Symptome hin:
- Zunehmende Erinnerungsstörungen, zunächst ein Nachlassen des Kurzzeitgedächtnisses
- Orientierungsstörungen
- Sprachstörungen, zum Beispiel Schwierigkeiten, die richtigen Worte zu finden
- Schwierigkeiten in der Auffassung
Viele Demenzkranke zeigen schon im Anfangsstadium der Krankheit Symptome
- wie häufige Unruhe,
- Gereiztheit oder auch
- Euphorie
Gerade wenn Betroffene selbst bemerken, dass ihre geistige Leistungsfähigkeit schrittweise nachlässt, können sie Anzeichen einer Depression entwickeln.
Wer solche oder ähnliche Symptome bei älteren Bekannten entdeckt, sollte versuchen, diese zu einem Arztbesuch zu bewegen – auch wenn er dabei auf Gegenwehr trifft. Dann bleibt die Hoffnung, dass der Hausarzt aus der Befragung des Patienten die richtigen Schlüsse zieht. Dass dies leider nicht immer der Fall ist, ergab eine Studie der Universitäten Rostock und Greifswald und des DZNE (Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen e.V.) . Dabei wurden über 600 Frauen und Männer untersucht, die unter Gedächtnisstörungen litten und deshalb schon beim Hausarzt waren. 40 Prozent dieser Personen waren an Demenz erkrankt, hatten aber keine betreffende Diagnose erhalten.
Demenz – und nun?
Die Diagnose ist gestellt, doch was passiert nun? Die traurige Wahrheit ist, dass eine Demenz in beinahe allen Fällen unwiderruflich fortschreitet. Eine Ausnahme davon besteht dann, wenn die Demenz die Folge einer anderen Grunderkrankung darstellt, bei der keine Nervenzellen absterben. Beispiele dafür sind:
- Depressionen
- Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes mellitus
- Infektionen, zum Beispiel AIDS
Wie schnell eine Demenz fortschreitet, unterscheidet sich nach der Art der Demenz (zum Beispiel Alzheimer) aber auch je nach Person. Selbst Alzheimer verläuft unterschiedlich wie im Focus nachzulesen. Allgemeingültige Aussagen lassen sich nicht treffen.
Dennoch kann der Verlauf einer Demenz grob in drei Phasen eingeteilt werden:
- Leichte Demenz: Kennzeichnend für dieses Stadium sind in erster Linie Gedächtnisstörungen. Betroffene finden Gegenstände nicht mehr oder zeigen zeitliche Orientierungsprobleme. Dennoch sind sie meist in der Lage, ihren Alltag noch selbstständig zu bewältigen.
- Mittelschwere Demenz: In dieser Phase sind die Gedächtnis- und Orientierungsstörungen schon deutlich weiter fortgeschritten. Auch mit der Kommunikation tun sich Betroffene zunehmend schwer. Dasselbe gilt für alltägliche Handlungsabläufe.
- Schwere Demenz: Hier kommt es zu einem kompletten Ausfall von Kommunikationsvermögen, Gedächtnis und Orientierung. Die Betroffenen sind jetzt auf Pflege rund um die Uhr angewiesen. In vielen Fällen verstummen sie.
Übrigens gibt es auch Demenzformen, die einen deutlich anderen Verlauf zeigen. Dazu gehört die Frontotemporale Demenz, auch Pick-Krankheit genannt. Hier bleibt das Gedächtnis lange Zeit erhalten. Stattdessen verändert sich die Persönlichkeit der Betroffenen. Dieser wird zum Beispiel aggressiv oder zeigt andere Verhaltensauffälligkeiten.
Kontrollverlust
Die Diagnose einer Demenz ist für die Betroffenen in aller Regel ein harter Schlag. Schließlich sind sie jetzt mit einem schleichenden Verfall konfrontiert und dem Wissen, dass sich dieser nicht aufhalten lässt. Dennoch ist es im Frühstadium der Krankheit möglich, den eigenen Alltag weiter selbstständig zu meistern.
Damit dies möglichst lange gelingt und eine hohe Lebensqualität erhalten bleibt, raten Experten Demenzkranken dazu:
- Hobbys und ihrem Beruf weiter nachzugehen, soweit das möglich ist
- ein erfülltes soziales Leben zu führen
- Sport zu treiben
Zudem können kleine Tricks im Alltag helfen, der nachlassenden Gedächtnisleistung entgegenzuwirken. Dazu gehört zum Beispiel, Termine gewissenhaft in einen Kalender einzutragen und abzuhaken. Auch ist es ratsam, Gegenstände wie Schlüssel immer an einem festen Ort aufzubewahren. Für den Fall, dass sich Betroffene verlaufen oder plötzlich nicht mehr weiter wissen, hilft es, einen großen Zettel mit wichtigen Telefonnummern bei sich zu tragen. Auch die eigene Adresse sollten Demenzkranke möglichst immer mit sich führen.
Solche Maßnahmen können dazu führen, dass bei Demenz noch längere Zeit ein selbstbestimmtes Leben möglich ist. Irgendwann im mittleren Stadium der Krankheit ist Unterstützung jedoch unverzichtbar.
Hier sind es immer noch in vielen Fällen die Angehörigen, die dafür sorgen, dass Demenzkranke weiterhin in ihrer vertrauten Umgebung wohnen können. Zur Unterstützung können sie auf Angebote wie Tagespflege oder Kurzzeitpflege zurückgreifen. Sind Angehörige nicht in der Lage, sich um den Betroffenen zu kümmern, bleibt die Möglichkeit, ihn in einen Pflegeheim zu bringen. Eine Alternative sind beispielsweise betreute Wohngemeinschaften für Demenzkranke. Freilich hängen die Wahlmöglichkeiten gerade an dieser Stelle auch von den Finanzen ab. Denn Pflege kostet Geld und in begehrten Pflegeeinrichtungen besonders viel. Gerade in späteren Stadien ist eine 24-Stunden-Pflege bei Demenz laut der Deutschen Seniorenbetreuung kaum noch vermeiden.
Lässt sich Entwicklung verlangsamen?
Die Chancen, dass Demenz in naher Zukunft heilbar sein wird, sehen Experten als gering an. Stattdessen setzen Forscher alle Hoffnungen auf neue Heilmittel beziehungsweise Methoden, um den Verlauf der Krankheit zu verlangsamen oder vielleicht sogar zu stoppen.
Derzeit kommen bei der Therapie von Demenz folgende Maßnahmen zur Anwendung:
- Medikamente
- Trainieren wichtiger Tätigkeiten für den Alltag
- Psychotherapie
- Gedächtnistraining
Sie alle haben das Ziel, die Selbstständigkeit des Betroffenen möglichst lange zu erhalten. Inwieweit das gelingt, hängt vom Einzelfall ab. Tatsächlich lässt sich mit einer geschickten Kombination der genannten Maßnahmen der Verlauf von Alzheimer (die mit Abstand häufigste Demenz-Erkrankung) oft verlangsamen.
Davon abgesehen wecken jüngste Forschungsergebnisse die Hoffnung, dass schon in naher Zukunft neue effiziente Medikamente im Kampf gegen Demenz auf den Markt kommen könnten. So nimmt die Welt Bezug auf eine amerikanische Studie, in deren Rahmen Alzheimer-Patienten hohe Dosen an Vitamin E erhielten. Daraufhin verlangsamte sich das Fortschreiten der Krankheit signifikant. Die Zeit wiederum berichtet von zwei neuen Wirkstoffen großer Pharmakonzerte, die in ersten Tests beeindruckende Ergebnisse zeigten.
In beiden Fällen ist Vorsicht angebracht. Schließlich hat sich schon in der Vergangenheit so manches medizinische Wundermittel als Enttäuschung entpuppt. Einen Vorteil haben Alzheimerkranke allerdings auf ihrer Seite. Für die Pharmaindustrie wäre die Erfindung eines effizienten Medikaments gegen Demenz eine wahre Goldgrube. Dementsprechend hoch ist der Enthusiasmus bei der Suche danach.
Fazit
Demenz ist eine schwierige Begleiterscheinung der Tatsache, dass wir Menschen immer älter werden. Für Betroffene und Angehörige ist die Diagnose in aller Regel ein harter Schlag, vor allem da derzeit noch keine Heilung möglich ist. Daran wird sich wohl auch in naher Zukunft wenig ändern, wenngleich die Möglichkeit besteht, dass sich der Krankheitsverlauf durch neue Medikamente verlangsamen lässt. Bis dahin bleibt nur, sich dem eigenen Schicksal zu stellen und versuchen, sein Leben weiterhin zu genießen. Eine frühzeitige Diagnose kann dabei eine entscheidende Hilfe sein. Deshalb sollten Angehörige nicht zögern, ältere Menschen zu einem Arztbesuch zu drängen, wenn sie bei diesen typische Anzeichen einer Demenz erkennen.