Ein Nierensteinleiden kann bekanntlich die unterschiedlichsten Gründe haben. Eine mögliche Grunderkrankung ist hier die sogenannte Cystinurie. Betroffene weisen einen erhöhten Wert der Aminosäure Cystin in ihrem Urin auf, welche in Folge zur vermehrten Bildung von Cystinsteinen in der Niere führt. Erfahren Sie in diesem Beitrag, wie es zur Cystinurie kommt und welche Behandlungsoptionen dem Patienten zur Verfügung stehen.
Entstehung von Cystinurie
Um zu verstehen, wie Cystinurie zustande kommt, muss man den Entstehungsprozess des Harns in der Niere (Nephros oder Ren) etwas genauer unter die Lupe nehmen. In diesem Zusammenhang wären zunächst die Nierenkörpcherchen (Corpus renale) zu nennen. Sie entziehen dem Blut über Endverzweigungen der Nierenarterie (Arteria renalis) jedwede Abbauprodukte des Stoffwechsels. Der so entstehende Primärharn wird aber nicht sofort ausgeschieden. Zuvor wird der Harn erst noch einmal gründlich gefiltert, und zwar durch die Nierenkanälchen (Tubulus). Die Filterung dient dazu, dem Urin letzte Nährstoffe zu entziehen, die für den Körper verwertbar sind. Was nach dem Filterungsprozess übrig bleibt, ist der zur Ausscheidung vorgesehene Endharn, der für gewöhnlich aus folgenden Abbauprodukten besteht:
- Harnstoff – Endprodukt des Eiweißsstoffwechsels
- Harnsäure – Endprodukt des Purinstoffwechsels
- Kreatinin – Endprodukt des Muskelstoffwechsels und des Abbaus fleischhaltiger Nahrung
- Salze – Endprodukte der körpereigenen Salzverwertung (z.B. von Kochsalz)
- Phosphate – Endprodukte der körpereigenen Säureverwertung (z.B. Aminosäuren)
Bei Cystinurien kommt es durch Störungen im Aminosäuretransport der Nierenkanälchen nun zu einer mangelnden Rückführung (Resportion) von Cystin in den Blutkreislauf. Die eiweißreiche Aminosäure ist eigentlich ein fester Bestandteil von Immun-, Haut- und Haarzellen und wäre somit für den Körper wiederverwertbar. Aufgrund der Stoffwechselstörung können entsprechende Cystinverbindungen von den Nierenkanälchen aber nicht aus dem Primärharn gefiltert werden. Neben Cystin selbst nehmen diesbezüglich auch die Werte anderer Aminosäuren im Harn zu, die strukturell mit Cystin verwandt sind. Hierzu zählen Arginin, Lysin und Ornithin.
Ursachen für Cystinurie
Cystinurien sind außer bei Menschen vor allem bei bestimmten Hunderassen anzutreffen. Vor allem Züchter von Neufundländer-, Kromfohrländer-, Mastiff- und Terrier-Hunden klagen immer wieder über Cystinurie und Cystinsteinleiden bei ihren Tieren. In allen Fällen steckt ein genetischer Defekt hinter dem Problem:
- Mutation auf Chromosom 2: Für die Resportion der Aminosäuren Cystin, Arginin, Lysin und Ornithin aus dem Primärharn ist ein ganz spezielles Transportprotein verantwortlich, das bislang noch kaum erforscht ist. Bekannt ist aber der Ursprung des Proteins. Dieser liegt nämlich im rBAT-Gen des 2. Chromosoms. Eine bestimmte Mutation des Gens sorgt bei Cystinurie-Patienten dafür, dass die Zellen ihrer Nierenkanälchen das Transportprotein nicht ausbilden können.
Symptome bei Cystinurien
Im Frühstadium verläuft die Stoffwechselerkrankung in der Regel symptomfrei. Die erhöhten Cystin-Werte im Urin machen sich kaum bemerkbar und sorgen weder für einen abweichenden Harngeruch noch für eine auffällige Harnverfärbung. Erst, wenn das Cystin in der Niere vermehrt für Cystinsteine durch kristalline Ausfälle sorgt, wird die Erkrankung durch klassische Symptome eines Nierensteinleidens offensichtlich. Entsprechende Beschwerden können folgende sein:
- kolikartige Schmerzen durch Steinabgang
- Blutbeimengungen im Urin
- Harnstau
- vermehrtes Auftreten von Harnwegsinfekten
Diagnose und Behandlung bei Cystinurie
Neben einer Anamnese des Patienten zu bestehenden Symptomen ist bei Cystinurien vor allem ein Urintest von Bedeutung. Der Cystin-Wert, ebenso wie Arginin-, Lysin- und Ornithin-Werte im Urin des Patienten können hier um bis zu 20 oder 30 Mal höher liegen als im Normalfall. Entsprechende Werte im Blut weichen bei Cystinurie-Patienten hingegen kaum von der Norm ab. Ergänzen können bildgebende Verfahren wie Ultraschalluntersuchungen zum Einsatz kommen, um das Vorliegen von cystinhaltigen Nierensteinen abzuklären. Die Behandlung der Cystinurie gestaltet sich im Anschluss wie folgt:
- medikamentöse Behandlung: Erfreulicher Weise ist Cystin gut wasserlöslich, vorausgesetzt, der Harn weist einen leicht alkalischen pH-Wert von 7,5 bis 8,0 auf. Wirkstoffe und Medikamente wie Natriumbicarbonat, D-Penicillamin oder α-Mercaptopropionylglycin können diesbezüglich ein entsprechendes pH-Wert-Milieu im Urin schaffen. Vor allem Mercaptopropionylglycin ist aufgrund seines breiten Wirkspektrums auch zur Nierenstein-Prävention geeignet.
- Erhöhung der Flüssigkeitszufuhr: Um die stoffliche Zusammensetzung des Urins zu verändern und so die Cystin-Werte zu senken, ist es wichtig, sehr viel Zu trinken. Auch dient die gezielte Flüssigkeitszufuhr der Prävention gegen Cystinsteine, die vermehrt entstehen, wenn die Nieren nicht ausreichend durchgespült werden. Es ist möglich, dass Ärzte bei Cystinurie auch nächtliches Trinken vorschreiben, um einer Steinbildung vorzubeugen.
- Ernährungsumstellung: Cystin entsteht im Körper maßgeblich aus den Aminosäuren Cystein und Methionin. Diese finden sich vor allem in eiweißreichen Lebensmitteln wieder. Hier müssen Cystinurie-Patienten besonders aufpassen, denn der tägliche Eiweißbedarf muss mit Blick auf die verschlechterte Aminosäurenresportion ihres Körpers zwar gezielt über die Ernährung gedeckt werden, zu viel Proteine könnten jedoch gleichzeitig das Risiko von Cystinsteinen erhöhen. Insgesamt empfehlen Mediziner bei Cystinurie deshalb eine methionin- und cysteinarme Diät. Ergänzend kann die Zufuhr von Vitamin C den Ausfall von Cystin-Verbindungen aus Methionin und Cystein reduzieren.
Cystinurie – Ursachen, Komplikationen und Prävention
- Cystinurie kann weder vorgebeugt noch vollständig geheilt werden, da es sich hier um eine chronische und genetisch bedingte Stoffwechselerkrankung handelt. Mit entsprechender Medikation, erhöhter Flüssigkeitszufuhr sowie einer methionin- und cysteinarmen Ernährung lässt sich das Risiko einer Cystinsteinbildung und damit verbundenen Symptomen aber gut in den Griff bekommen.
- Komplikationen entstehen bei Cystinurie zum einen durch die entstehenden Cystinsteine. Sie bedeuten für Patienten oft starke Schmerzen und ein wiederkehrendes Harnwegsleiden. Zum anderen kann die mangelnde Resportion von Cystin auch Auswirkungen auf die Immunabwehr, Haar- und Hautstrukturen haben.
Fazit
Cystinurien entstehen durch das Fehlen eines bestimmten Transportproteins in den Nierenkanälchen. Dieses Protein ist eigentlich für die Rückführung eiweißreicher Aminosäuren wie Cystin, Arginin, Lysin und Ornithin aus dem Urin in den Blutkreislauf zuständig. Bei Cystinurie-Patienten verhindert ein Gendefekt jedoch die Bildung des Transportproteins in der Niere, wodurch es nicht nur zur vermehrten Ansammlung von Cystin und Co. im Urin sondern auch zur gehäuften Bildung von Cystinsteinen in der Niere kommt. Cystinurie und Nierensteinleiden gehen also meist Hand in Hand. Dabei leiden nicht nur Menschen, sondern auch bestimmte Hunderassen, wie Neufund- oder Kromfohrländer immer wieder unter der erblichen Stoffwechselkrankheit. Um die Entstehung der Cystinsteine einzudämmen, können Patienten mit Cystinurie aber bestimmte Medikamente (z.B. α-Mercaptopropionylglycin) einnehmen. Ist das Steinleiden erst einmal eingedämmt, bereitet die erblich bedingte Stoffwechselerkrankung keinerlei Beschwerden mehr und Betroffene können trotz einer gestörten Aminosäurenresportion ein sorgloses Leben führen.