Gewöhnlicher Beifuß (Artemisia vulgaris) wächst hierzulande üppig auf Baustellengeröll oder am Wegesrand. Da ihre Blüten und Blätter aber eher unscheinbar sind, wird die Pflanze irrtümlicherweise oft als Unkraut verkannt. Völlig zu Unrecht, denn die ‚Mutter aller Kräuter‘, wie Artemisia vulgaris schon in der Antike genannt wurde, bietet Hilfe bei allerlei Gesundheitsbeschwerden. Von der altgriechischen Frauenheilkunde bis zur Traditionellen Chinesischen Medizin setzten daher viele Arzneiphilosophien auf die heilsame Wirkung von Beifuß. Nur in der modernen Medizin scheint er noch nicht so recht angekommen zu sein.
Woher stammt Beifuß? – Einzelheiten zur Anwendungsgeschichte
Beifuß ist in fast allen Teilen der Welt zu finden und wurde schon vor mehreren tausend Jahren vielseitig genutzt. Dabei lag das Hauptaugenmerk neben einer heilpflanzlichen Anwendung vor allem auf der Nutzung als Orakel- und Ritualpflanze. So galten die Blätter des Beifußes bei den amerikanischen Ureinwohnern beispielsweise als unerlässliches Räucherwerk für Seelenwanderungen. Die Pflanze sollte zum einen Verstorbenen den Übergang ins Jenseits, zum anderen Lebenden die Anrufung der Ahnen im Diesseits erleichtern. Ähnliche Verwendung fanden Blätter und Wurzeln des Heilkrauts auch im antiken Asien. Allerdings dienten die Kräuter hier eher dem Fernhalten jenseitiger Geistwesen. Zu diesem Zweck hängte man Beifuß als Schutzpflanze am Türrahmen auf.
In der germanischen zählte Beifuß unter den Namen ‚Megingjardr‘ hingegen zu den unabdingbaren Insignien des Gottes Thor. Dieser trug das Heilkraut als Gürtel um seine Hüfte, wodurch sich seine göttlichen Kräfte verstärkten. Infolge dessen ersuchten auch seine sterblichen Anhänger die Pflanze um Stärke, was insbesondere in den Sonnwendfeierlichkeiten zum Ausdruck kam. Hier trug man Beifuß ebenfalls in Form eines Gürtels bei sich, während man über das traditionelle Sonnwendfeuer sprang.
Anhand all dieser ‚guten‘ spirituellen Gebräuche lässt sich erkennen, dass Beifuß über alle Zeitalter hinweg als hochgeschätztes Götterkraut verstanden wurde. Göttliche Assoziationen kamen hierbei sicherlich nicht von ungefähr, sondern sind auf die heilpflanzlichen Eigenschaften der Artemisia vulgaris zurück führen, die sich nach antiker bzw. altertümlicher Überzeugung nur auf den Segen der mächtigen Schöpfer zurück führen ließ.
„Erinnerst Du Dich, Beifuß, was du verkündest?
Was du anordnest in feierlicher Kundgebung?
Una heißt du, das älteste der Kräuter.
Du hast Macht gegen drei und gegen dreißig.
Du hast Macht gegen Gift und gegen Ansteckung.
Du hast Macht gegen das Übel,
Das über das Land dahinfährt“
(aus dem angelsächsischen Neunkräutersegen)
Die Schutzpflanze der Götter – Von der Heilwirkung des Beifußes
Von der Antike bis ins Mittelalter war Beifuß vor allem als Frauenheilkraut besonders beliebt. Dioskurides verwendete ihn zum Beispiel bei der Geburtshilfe, doch auch gegen Menstruations- und Wechseljahrsbeschwerden lassen sich die Pflanzenteile von Beifuß erfolgreich anwenden. Darüber hinaus war eine Einnahme der Kräuter zur Steigerung der Fruchtbarkeit üblich. Beinamen wie Jungfernkraut, Weiberkraut oder Schoßkraut erklären sich damit von selbst.
Es gab allerdings auch Anwendungsbereiche der Artemisia vulgaris, die auf ihren offiziellen Namen Beifuß zurück gehen. Demnach wurde Beifußöl auf schwere, müde oder schmerzende Füße und Beine angewandt. Das Heilkraut fördert nämlich die Durchblutung der Gliedmaßen, was auch bei Muskelkater und Verspannungszuständen von Vorteil sein kann.
Früh erkannt wurde dieser Effekt von Beifuß in der Traditionellen Chinesischen Medizin. Hier kommen Blätter und Wurzeln des Beifußes bis heute bei der sogenannten Moxibustion zum Einsatz. Hinter dem Begriff versteckt sich eine der Akupunktur ähnliche Behandlungsmethode, welche durch gezielte Erwärmung des Körpers den Qi-Fluss anregt. Auf diese Weise lassen sich Nervenblockaden und Verspannungszustände erfolgreich lösen.
Insgesamt ist eine Behandlung mit Beifuß bei folgenden Beschwerden möglich:
Gefäß- und Gelenkbeschwerden
z.B. Durchblutungsstörungen, schwere Glieder oder Rheuma
Frauenleiden
z.B. Gebärmutterkrämpfe, Eierstock- oder Blasenentzündung
Nervenbeschwerden
z.B. Nervenkrämpfe, Nervosität oder Neuralgien
Verdauungsbeschwerden
z.B. Blähungen, Durchfall, Übelkeit oder Verdauungsschwäche
sonstige Beschwerden
z.B. Appetitlosigkeit, Gallenschwäche, Hämorrhoiden, Muskelkater oder Schlafstörungen
Inhaltsstoffe der Artemisia vulgaris
Für die Heilwirkung von Beifuß sind in erster Linie Gerb- und Bitterstoffe verantwortlich. Sie sorgen nur für die krampflösenden, verdauungs- und wehenfördernden Eigenschaften der Artemisia vulgaris, sondern wirken daneben auch gallenflusstreibend, appetitanregend und beruhigend.
Ergänzend sorgen Flavonoide für den durchblutungsfördernden, gefäßschützenden und desinfizierenden Effekt von Beifuß. Hier ein kleiner Überblick zu den wichtigsten Inhaltsstoffen der Pflanze:
- Absinthin
- Aesculetin
- Carotinoide
- Cineol
- Kampfer
- Pilostachyin
- Polyine
- Quercetin
- Rutin
- Triterpene
- Vulgarin
Anwendung und Nebenwirkungen – kein Beifuß bei besonderen Sensibilitäten
Wenn Sie Beifuß gegen Frauenbeschwerden, Schlafstörungen oder Verdauungsprobleme einsetzen möchten, ist eine Einnahme seiner Blätter in Teeform zu empfehlen. Nehmen Sie hierfür 1 TL Beifußblätter und übergießen Sie diese mit ¼ Liter heißem Wasser. Lassen Sie den Kräutersud etwa 3 Minuten ziehen und filtern Sie die Blätter im Anschluss heraus. Täglich können Sie bis zu 3 Tassen dieses Tees mit Beifuß trinken, wobei nach etwa anderthalb Monaten eine dreiwöchige Anwendungspause erfolgen sollte.
Zur Behandlung von Muskelkater, Gefäß-, Gelenk- oder Nervenbeschwerden raten wir zu Ölauszügen des Beifußes. Diese reiben Sie einfach auf die betroffenen Gliedmaßen. Bei Nervosität im Speziellen, aber auch bei Schlafproblemen, kann ein Massieren der Schläfen mit Beifußöl hilfreich sein.
Eine Nutzung von Artemisia vulgaris als Küchengewürz, etwa für Fisch-, Fleisch- oder Pilzgerichte hat vor allem bei Gallenleiden und Appetitlosigkeit lange Tradition. Ein besonderer Tipp ist hier Gänsebraten, der durch Beifuß eine originell-rustikale Note erhält. Ebenso profitieren Suppen, Käseplatten und Soßen geschmacklich von einer Beimengung der Beifußblätter.
Fazit
Beifuß sollte in der medizinischen Anwendung dringend mehr Beachtung finden. Insbesondere wenn man bedenkt, dass die Pflanze einst als Mutter aller heilpflanzlichen Kräuter galt. Über Jahrtausende hinweg den Göttern unterschiedlichster Kulturkreise geweiht, ist Artemisia vulgaris wahrhaft ein Segen bei vielen Beschwerden und lässt sich wohldosiert sogar als Küchenkraut nutzen. Einzig Frauen in der Frühschwangerschaft, sowie Menschen mit besonderen Sensibilitäten sollten von einem Gebrauch der Kräuter absehen, da Beifuß Komplikationen mit sich bringen könnte.