Zur Sicherung des medizinischen Fortschritts braucht es dringend neue Antibiotika, die dabei helfen, die Resistenzproblematik der bisherigen Antibiotika zu überwinden. Dazu laufen in Industrie und Forschungslabors Screening Programme, die gezielt Moleküldatenbanken nach potenziell antibakteriell wirksamen Substanzen durchsuchen. Selbst die Suche in der Natur nach natürlichen Antibiotika wird verstärkt, in der Hoffnung, in Pilzen und Bakterien ähnlich wirksame Antibiotika zu entdecken, wie es mit dem Penicillin und Streptomycin vor Jahrzehnten schon mal gelungen war. Schweizer Forscher sind bei einem Ackerunkraut fündig geworden.
Das Mikrobion einheimischer Kräuter als Quelle neuer Antibiotika
Die Oberflächen von Gräsern, Kräutern, Büschen und Bäumen sind belebt. Ähnlich wie auf der menschlichen Haut findet man auch auf Blättern, Stängeln und Borken als Mikrobiom bezeichnete Lebensräume, die von Pilzen, Bakterien und Viren bewohnt sind. Gleiches gilt natürlich für den Boden, auf dem die Pflanzen siedeln. Selbstverständlich herrscht auch unter den Mikroorganismen auf Pflanzen und im Boden ein in der belebten Natur üblicher Konkurrenzkampf. Der Stärkere verdrängt den Schwächeren. Da Mikroorganismen über keine als Waffen zu nutzende Organe verfügen, müssen sie ihre Angriffe gegen Konkurrenten mit chemischen Mitteln führen. Nur so können sie verhindern, dass der Konkurrent sich ausbreitet und ihnen selbst die Lebensgrundlage entzieht. Solche chemischen Waffen sind von einigen Pilzen und Bakterien bekannt und werden als Antibiotika bezeichnet. Auf der Suche nach neuen für den Menschen nutzbaren Antibiotika könnte es daher lohnen, die mikrobielle Welt auch unserer heimischen Pflanzen näher zu untersuchen. Genau das haben Forscher der Technischen Hochschule Zürich getan und sind bei einem unscheinbaren Unkraut fündig geworden. Mit modernen gentechnischen Methoden konnten sie auf den schmalen Blättern eines Kreuzblütlers namens Acker-Schmalwand bakterielle Gene identifizieren, die für die Synthese von Substanzen mit Abwehrfunktionen gegen konkurrierende Bakterien zuständig sind. Insgesamt wurden mehrere Hundert solcher Gensequenzen identifiziert. Einige wenige davon waren bisher unbekannt und weisen auf neuartige chemische Strukturen hin. Diese Substanzen werden nun näher auf ihr antibiotisches Potenzial untersucht. Möglicherweise ist ein Molekül dabei, das ähnlich wie das Penicillin eine neue Ära im Kampf gegen bakterielle Krankheitserreger eröffnet und Resistenzen gegen aktuelle Antibiotika umschifft.
Fazit:
Das Mikrobiom einheimischer Pflanzen könnte eine Quelle für neue Antibiotika sein, die auf Basis bisher unbekannter Wirkmechanismen einen Beitrag zur Überwindung von Antibiotikaresistenzen leisten. Das Beispiel eines einfachen Ackerunkrauts zeigt, wie lohnend die Suche nach antibakteriell wirkenden Substanzen in unserer heimischen Flora sein kann.
Quelle: Helfrich, E.J.N., Vogel, C.M., Ueoka, R. et al. Bipartite interactions, antibiotic production and biosynthetic potential of the Arabidopsis leaf microbiome. Nat Microbiol 3, 909-919 (2018) doi:10.1038/s41564-018-0200-0