Bei Allopurinol handelt es sich um einen rezeptpflichtigen Arzneistoff, welcher zur Senkung des Harnsäurespiegels angewendet wird. Harnsäure ist ein Nebenprodukt des menschlichen Stoffwechsels und entsteht durch den Abbau von bestimmten Nukleinsäuren, den sogenannten „Purinen“, welche Bestandteil der menschlichen Zelle sind. Die Arzneimittelgruppe der „Urikostatika“, zu welcher Allopurinol zählt, wirkt regulierend auf die körpereigene Umwandlung der Purine zu Harnsäure und setzt so die tägliche Produktion herab. Allopurinol wird hauptsächlich zur Behandlung von Gicht (akuter Gichtanfall, chronische Gicht) eingesetzt.
Allopurinol – seit 50 Jahren stark gegen Gicht
Der Wirkstoff, welcher heute in erster Linie zur Behandlung chronischer Gicht eingesetzt wird, entstand im Jahre 1963 im Zuge eines Forschungsprogramms der Arzneimittelfirma „Burroughs Wellcome“ in den USA. Unter der Leitung des Biochemikers und Pharmakologen George Herbert Hitchings wurden hier ab 1944 die Stoffwechselvorgänge der menschlichen Zelle und insbesondere die Funktionsweisen von Nukleinsäuren, den Grundbausteinen der Zelle, erforscht. Ziel des Projektes ist die Entwicklung von Wirkstoffen gegen Krebs (insbesondere Blutkrebs) und Infektionskrankheiten, welche direkt an den Nukleinsäuren im Zellkern wirken und so eine krankhafte Zellteilung verhindern sollten.
Die Wirkungsweise des Allopurinols gegen die Ursachen von Gicht war damals ein Zufallserfolg, dem jedoch schnell weitere Forschungen sowie die Vorstellung des neuen Wirkstoffes folgen. Im Jahre 1988 werden George Herbert Hitchings und seine Mitarbeiterin Gertrude B. Elion für ihre bahnbrechenden Entdeckungen im Bereich der Arzneimitteltherapie mit dem Nobelpreis für Physiologie und Medizin ausgezeichnet. Seit 1977 zählt die Weltgesundheitsorganisation Allopurinol zu den „unentbehrlichen Arzneimitteln“, ohne die die medizinische Versorgung der Bevölkerung nicht denkbar wäre.
Die Therapie – Anwendungsgebiete und Wirkungsweise von Allopurinol
Allopurinol greift regulierend in die körpereigene Harnsäureproduktion ein. Ihr Körper stellt jeden Tag durchschnittlich 350 mg Harnstoff her, welcher im Laufe des Tages durch die Nahrungsaufnahme in etwa verdoppelt und schließlich über den Urin ausgeschieden wird. Im Normalfall besteht zwischen der Bildung beziehungsweise der Aufnahme von Harnsäure und deren Ausscheidung ein Gleichgewicht. Bei manchen Menschen jedoch wird weniger Harnstoff ausgeschieden als aufgenommen wurde – in diesen Fällen kommt es zu einem erhöhten Harnsäurespiegel im Blut, der schwerwiegende gesundheitliche Folgen haben kann.
Von der verminderten Harnsäureausscheidung (auch „Hyperurikämie“ genannt), welche erblich bedingt ist, sind in der Regel häufiger Männer als Frauen betroffen. In seltenen Fällen liegt das Problem nicht in der verminderten Ausscheidung des Harnstoffes, sondern in einer Überproduktion aufgrund einer angeborenen Störung des Purinstoffwechsels. Diese kann jedoch auch mit Allopurinol behandelt werden.
Die Probleme, mit denen Sie bei verminderter Harnsäureausscheidung rechnen müssen, sind vielfältig: Da die überschüssige Säure nicht normal abgebaut werden kann, bilden sich wasserunlösliche Harnsäurekristalle, die sich zunächst im Gewebe und später auch in den Nieren anlagern. Besonders stark betroffen sind in der Regel die Gelenke in Fingern und Zehen, wo die Säurekristalle durch Entzündungen nicht nur starke Schmerzen verursachen, sondern über einen längeren Zeitraum auch Knochen- und Knorpelveränderungen bewirken können, welche irreparabel sind. In diesen Fällen spricht man von akuter beziehungsweise chronischer Gicht.
Weniger offensichtlich, dadurch jedoch auch deutlich gefährlicher, sind die Ablagerungen der Harnsäure in der Niere, welche kurzfristig zu Schädigungen wie etwa Entzündungen und der Bildung von Nierensteinen, langfristig sogar zu einer vollständigen Niereninsuffizienz führen können. Eine weitere Krankheit, welche durch die Harnsäureablagerung in den Nieren entsteht, ist die sogenannte „Uratnephropathie“, die ebenfalls über kurz oder lang zum Nierenversagen führt.
Liegt ein erhöhter Harnsäurewert im Blut vor, so können Sie den Folgen durch eine Therapie mit Allopurinol entgegenwirken. Der Wirkstoff hemmt nicht nur die Umwandlung von Purinen zu Harnsäure, sondern baut zugleich auch die Harnsäurekristalle ab, die sich bereits im Gewebe abgelagert haben. Durch die Einnahme des Wirkstoffes entsteht bei den Stoffwechselvorgängen in der Zelle an Stelle von Harnsäure ein erhöhter Anteil des sogenannten „Xanthins“ – dabei handelt es sich um einen harnsäureähnlichen Stoff, der jedoch deutlich schneller über die Niere ausgeschieden wird.
Medikamente mit Allopurinol – Anwendung und Wirkung im Überblick:
- Die Medikamente werden bei Überproduktion oder verminderter Ausscheidung von Harnsäure genutzt (Prophylaxe gegen Gicht)
- Ein erhöhter Harnsäurespiegel Blut kann einen Gichtanfall auslösen oder sogar die Nieren schädigen.
- Allopurinol hemmt die Umwandlung von Purinen zu Harnsäure und baut bereits gebildete Kristalle ab.
- Ein Gichtanfall sowie die chronische Gicht lassen sich durch Arzneimittel mit Allopurinol behandeln und vielen Fällen sogar heilen.
Anwendung und Dosierung – worauf Sie achten sollten
In der Regel wird eine Therapie mit Allopurinol empfohlen, wenn die Harnsäurekonzentration beim erwachsenen Menschen über 8,5 mg pro 100 ml Blut liegt. Ab einem solchen Wert sind Folgeerscheinungen wie Gicht, Uratnephropathie und Niereninsuffizienz sehr wahrscheinlich. Darüber hinaus wird der Wirkstoff zur Linderung der Symptome nach einem akuten Gichtanfall, sowie auch prophylaktisch bei chronischer Gicht eingesetzt.
Neben diesen „klassischen Anwendungsgebieten“ können auch angeborene Enzymmangelerkrankungen wie etwa das „Lesh-Nyhan-Syndrom“, das mit einer erhöhten Harnsäurebildung einhergeht, langzeitig mit Allopurinol behandelt werden. Der Wirkstoff wird ebenfalls eingesetzt, um den Folgen starken Zellverfalls, wie er etwa während einer Chemotherapie auftritt, entgegenzuwirken.
Da die Ausscheidung der Harnsäure über den Absatz von Urin erfolgt, müssen Sie bei der Einnahme in jedem Fall auf eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr achten. Außerdem ist es wichtig, dass der Harnsäurespiegel während der Behandlungsdauer regelmäßig überprüft wird. Der Wirkstoff wird normalerweise in Form von Tabletten verabreicht, die pro Stück entweder 100 oder 300 mg Allopurinol enthalten.
Je nach Harnsäurewerten liegt die normale Dosis für einen Erwachsenen zwischen einer und drei Tabletten am Tag; die Höchstdosis von 800 mg/ Tag darf jedoch in keinem Fall überschritten werden. Bei Kindern beträgt die Höchstdosis 10 mg Allopurinol pro ein Kilogramm Körpergewicht. Die Tabletten werden unzerkaut und mit reichlich Flüssigkeit eingenommen. Da die Wirksamkeit der Medikamente bei Gicht auf Langfristigkeit angelegt ist, kann es unter ärztlicher Aufsicht bedenkenlos über einen längeren Zeitraum eingenommen werden.
Die wichtigsten Punkte für den eiligen Leser:
- Medikamente mit Allopurinol werden ab einem Harnsäurespiegel von 8,5 mg pro 100 ml verabreicht (vorbeugend gegen einen Gichtanfall)
- Nach einem akutem Gichtanfall oder bei chronischer Gicht ist Allopurinol das Mittel der Wahl
- Allopurinol wird im Form von Tabletten verschrieben
- Während der Einnahme auf ausreichende Zufuhr von Flüssigkeit achten
- Tabletten mit Allopurinol enthalten im Normalfall 100 bis 300 mg des Wirkstoffes
- Die Dosis liegt bei 1 bis 3 Tabletten am Tag (maximal 800 mg Allopurinol pro Tag)
- Bei Kindern dürfen die Medikamente nicht mehr als 10 mg/kg Körpergewichts des Wirkstoffs enthalten
- Die Behandlung von Gicht ist langfristig angelegt
Bei Allopurinol handelt es sich um einen gut verträglichen Wirkstoff. Unter folgenden Umständen sollten Sie Allopurinol jedoch nur mit besonderer Vorsicht und ausnahmslos nach Rücksprache mit Ihrem Arzt oder Ihrer Ärztin anwenden :
- Bei bekannter Überempfindlichkeit der Haut
- Bei eingeschränkter oder geschädigter Nieren- und Leberfunktion, sowie bei Blutgerinnungsstörungen
- Bei Nierensteinen
- Bei angeborenen Enzymmangelerkrankungen
- Bei laufender Chemotherapie
- Während der Schwangerschaft und der Stillzeit darf Allopurinol auf keinen Fall angewendet werden.
Mögliche Nebenwirkungen von Allopurinol
Allopurinol gilt im Allgemeinen als gut verträglich. Dennoch gibt es eine Reihe von Nebenwirkungen, mit denen Sie bei der Anwendung rechnen müssen. Zu den häufigsten Beschwerden zählen stark allergische Hautreaktionen und Probleme im Magen- und Darmbereich. Insgesamt kommt es häufiger zu einem Auftreten von Nebenwirkungen, wenn Sie bereits unter einer Nieren- oder Leberschädigung leiden.
Bei starken Hautreaktionen wie etwa Knötchenbildung, starkem Juckreiz oder Hautblutungen, sowie auch beim Auftreten anderer, eventuell lebensbedrohlicher Reaktionen wie etwa einem anaphylaktischen Schock, muss das Allopurinol trotz Gicht sofort abgesetzt werden. Bekannte Nebenwirkungen sind u.a.:
Darreichungsform | Sehr selten | Selten | Gelegentlich | Nicht bekannt |
---|---|---|---|---|
Tabletten | Schwere, möglicherweise lebens-bedrohliche Hautreaktionen; Lymphknoten-erkrankungen, Depression, Gleichgewichts-störung, Diabetes Mellitus, Sehstörungen, Bluthochdruck,Muskel-schmerzen, Impotenz, Unfruchtbarkeit, Migräne, Lähmungs-erscheinungen, Trübung der Augenlinse, Schwindel, Erbrechen und akute Anfälle von Gicht. | Störungen der Leberfunktion bis hin zur Hepatitis; Schüttelfrost, Fieber, Hautrötungen, Muskelschmerzen; Überempfindlichkeit bei bereits bestehender Nierenfunktionsstörung, welche bis zur Insuffizienz führen kann. | Bei Patienten und Patientinnen mit Nierenfunktions-störungen kann es zur Schädigung des Knochenmarks kommen. | Verlangsamung des Herzschlages; Übelkeit, Brechreiz und Durchfall können insbesondere bei Patienten und Patientinnen mit empfindlichem Magen- und Darmtrakt auftreten. |
Neben gelegentlichen Nebenwirkungen kann es bei der Anwendung von Allopurinol auch zu Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten kommen, da der Wirkstoff die Verstoffwechselung zahlreicher Arzneimittel beeinflusst.
So verlängert Allopurinol beispielsweise die Wirksamkeit von 6-Mercaptopurin und Azathioprin, weshalb deren Dosis während der Einnahme von Allopurinol in der Regel auf 25 % der üblichen Dosis verringert werden muss. Auch blutzuckersenkende Medikamente, die Chlorpropamid enthalten, und Vidarabin-haltige Arzneien, die zur Behandlung von Viruserkrankungen eingesetzt werden, können durch die Einnahme von Allopurinol länger im Körper verbleiben und sollten daher vorsichtiger dosiert werden.
Darüber hinaus kommt es während der Einnahme von Allopurinol häufiger zu Unverträglichkeitsreaktionen auf Antibiotika, Ampicillin und Amoxicillin. Auch hemmende Wirkungen auf Theophyllin-haltige Arzneimittel, die zur Behandlung von Herz- und Atemwegserkrankungen eingesetzt werden, sind bekannt. Arzneimittel zur Behandlung von Blutgerinnungsstörungen können durch Allopurinol in ihrer Wirksamkeit verstärkt werden, weshalb die regelmäßige ärztliche Kontrolle unerlässlich ist. Durch Arzneimittel wie Probenecid oder Benzbromaron, die eine vermehrte Harnsäureausscheidung bewirken, wird die Wirksamkeit von Allopurinol herabgesetzt.
Wechselwirkungen im Überblick:
- 6-Mercaptopurin und Azathioprin sollten um 25% verringert werden
- Medikamente zur Senkung des Blutzuckers (Chlorpropamid) sollten ebenfalls schwächer dosiert werden
- Unverträglichkeiten mit Antibiotika wie Ampicillin und Amoxicillin
- Wirkt hemmend auf Arzneimittel mit Theophyllin
- Benzbromaron oder Probenecid können in ihrer Wirkung gehemmt werden
Verantwortungsbewusst therapieren – Allopurinol ist rezeptpflichtig
Der Wirkstoff Allopurinol fällt sowohl in Deutschland als auch in Österreich und der Schweiz unter die sogenannte „Rezeptpflicht“. Medikamente mit dem entsprechenden Wirkstoff dürfen also nur gegen Vorlage einer ärztlichen Verschreibung an den Patienten/ die Patientin abgegeben werden.
Die Rezeptpflicht für Allopurinol besteht, da es sich um einen Wirkstoff handelt, der bei Überdosierung oder falscher Anwendung lebensbedrohliche Neben- und Wechselwirkungen haben kann. Darüber hinaus bedürfen auch die Krankheiten wie Gicht der regelmäßigen ärztlichen Kontrolle, um die Dosierung der Medikamente richtig festzulegen.
Allopurinol – auch künftig die Hauptwaffe gegen Gicht
Laut der Weltgesundheitsorganisation gehört Allopurinol zu jenen Arzneimitteln, ohne die eine medizinische Versorgung der Bevölkerung nicht möglich wäre. Trotzdem sollten Sie vor der Behandlung mit dem Wirkstoff auf jeden Fall mit Ihrem Arzt oder Ihrer Ärztin erörtern, ob eine Senkung Ihres Harnsäurespiegels unter Umständen nicht auch durch eine Umstellung der Ernährung zu erreichen ist. In vielen Fällen ist die Reduzierung von Säure-bildenden und purinreichen Lebensmitteln wie Innereien, Hülsenfrüchten, Fisch und Alkohol vollkommen ausreichend, um die Harnsäureproduktion wieder ins Gleichgewicht zu bringen und Gichtanfälle sowie chronische Gicht künftig zu verhindern.
Wenn der erhöhte Harnsäurespiegel und Folgeerkrankungen wie Gicht in Ihrem Fall tatsächlich nur medikamentös ins Gleichgewicht zu bringen ist, stellt Allopurinol eine bewährte und gut erforschte Alternative dar. Forschungen aus dem Jahre 2004 zufolge kann der Wirkstoff – hoch dosiert – sogar dabei helfen, die körperliche Belastbarkeit von Patienten und Patientinnen mit stabilen Herzerkrankungen wie etwa der „Angina Pectoris“ zu steigern. Darüber hinaus kann der Wirkstoff den Funktionsverlust der Nieren bei vorhandenen Nierenschädigungen verlangsamen.