Bei einer Allodynie kommt es zu einer übersteigerten Schmerzsensibilität, die dazu führt, dass selbst leichteste Berührungen oder Temperaturreize als schmerzhaft empfunden werden. Schon die geringste Berührung mit einer gewöhnlichen Decke kann bei Betroffenen zu starken Schmerzen führen. Es handelt sich hierbei neuropathische Überempfindlichkeit, die sowohl durch körperliche als auch psychische Ursachen hervorgerufen werden kann. Lesen Sie in diesem Ratgeber, wie Allodynien entstehen und was sich zur Behandlung unternehmen lässt.
Wie entstehen Allodynien?
Schmerzen entstehen im Körper im Normalfall nur bei herber Gewalteinwirkung, wie sie etwa bei Prellungen oder Verletzungen entsteht. Verantwortlich für den Schmerzreiz sind dabei Schmerzrezeptoren (Nozizeptoren). Sie beschreiben freie Nervenendungen im peripheren Nervensystem, die im Zuge einer Gewalteinwirkung alarmiert werden. Entsprechende Schmerzreize werden von den Rezeptoren im Anschluss in elektrische Signale umgewandelt und zunächst an das Zwischenhirn (Thalamus) weitergeleitet. Von hier aus gelangt der Schmerzreiz dann weiter an das Großhirn (Thelencephalon). Dort wandeln die Nerven der Großhirnrinde (Cotrex cerebri) den Reiz dann in tatsächliches Schmerzempfinden um. Die geschädigte Körperregion, wie auch das umliegende Gewebe bleibt nach der Reizweiterleitung an die zuständigen Rezeptoren meist noch bis zur vollständigen Heilung schmerzempfindlich. Diese sogenannte Hyperalgie soll uns eine besondere Vorsicht im Umgang mit der Körperstelle signalisieren, um sie vor weiteren Schäden zu bewahren.
Anders sieht es nun bei der Allodynie aus. Hier senden die nerveneigenen Rezeptoren ohne erkennbare Ursache schon bei geringster Berührung Schmerzsignale an das Gehirn. Es kommt zur sogenannten neuropathischen Hyperalgie, die für gewöhnlich auf Störungen im Nervensystems zurückzuführen sind. Betroffene empfinden dabei Schmerzen, ohne dass es für diese tatsächlich einen schmerzauslösenden Reiz gibt. Stattdessen reagieren die für den Schmerz verantwortlichen Rezeptoren auf gewöhnliche Berührungs- oder Temperaturreize. Sie melden diese als Oberflächenschmerzen, Tiefenschmerzen (in Muskeln, Gelenken) oder Organschmerzen an das Gehirn weiter. In Abhängigkeit von den auslösenden Umwelteinflüssen und bestehenden Symptomen wird dabei zwischen folgenden Formen von Allodynien unterschieden:
- mechanisch dynamische Allodynie – schon leichte Berührungen lösen brennende oder stechende, ausstrahlende Schmerzen aus.
- mechanisch statische Allodynie – leichter statischer Druck löst dumpfe Schmerzen im betroffenen Körperbereich aus.
- mechanische pinprick Allodynie – leicht stechende Berührungen (z.B. durch einen Zahnstocher) führen zu einem starken, sich ausbreitenden Schmerz.
- Kälte-Allodynie – leicht-schmerzhafte Kältereize (ab 10 °C) rufen starke Hautschmerzen und brennende Missempfindungen hervor.
- Hitze-Allodynie – Wärmereizen (ab 45 °C) lösen brennende Schmerzen aus.
Ursachen für eine Allodynie
Allodynien werden in der Regel durch Störungen im peripheren oder zentralen Nervensystem oder durch psychische Erkrankungen ausgelöst. Meist sind dafür erkrankte Nerven in den betroffenen Hautarealen verantwortlich, die zu einer übersteigerten Schmerzreaktion führen. Insgesamt kommen folgende Ursachen als Auslöser für in Betracht:
- neuropathische Ursachen: Eine gestörte Funktionalität nerveneigener Rezeptoren basiert oft auf Nervenkrankheiten (z.B. Multiple Sklerose), Nervenverletzungen oder Nervenentzündungen (z.B. Neuritis). Ebenso kann eine Trigeminusneuralgie vorliegen, bei der sich ungeschützte Nervenfasern durch eine zu enge Reihung gegenseitig reizen. Neben diesen können neuropathische Störungen, die zu einer Allodynie führen, auch in Folge eines Hirninfarktes, Sonnenbrands oder Drogenmissbrauchs auftreten.
- Polyneuropathie: Ebenfalls zu den neuropathischen und damit körperlichen Ursachen zählt die Polyneuropathie. Hier ist es durch Vorerkrankung zu einem dauerhaften Verlust von Nervenfasern im peripheren Nervensystem gekommen. Besagter Verlust provoziert spontanen und grundlosen eine sogenannte C-Nozizeptorenaktivität. Bei dieser können in den nerveneigenen Rezeptoren ankommende Reize aufgrund schlechter Verbindung nicht mehr richtig an das Gehirn weitergeleitet werden.
- Psychische Faktoren: In seltenen Fällen werden Allodynien auch im Rahmen psychischer Erkrankungen verursacht. Hierzu zählen vor allem Krankheiten wie Angststörungen, Depressionen, Burnout oder das Posttraumatische Stress-Syndrom, bei denen die Nerven stark überlastet werden.
Symptome bei Allodynie
Die bei einer Allodynie auftretenden Schmerzen verändern sich meist deutlich in kurzen Intervallen. Dabei können sowohl die Schmerzart als auch die Intensität variieren. Anhaltende neuropathische Schmerzen können bei Betroffenen außerdem zur psychischen Belastung werden. Dadurch kommt es weiteren Symptomen wie Schlafstörungen oder Depressionen. Insgesamt kann sich eine Allodynie wie folgt äußern:
- Kribbeln
- Brennen
- Stechen
- ausstrahlende Schmerzen
- elektrisierender Schmerz
- Konzentrationsstörungen
- Depressionen
- Angstzustände
- Schlafstörungen
Diagnose und Therapie bei Allodynie
Allodynien werden innerhalb einer neurologischen Diagnostik ermittelt. Hierbei nehmen Neurologen einen speziellen Provokationstest zur Bestimmung der Allodynie-Form vor. Zu diesem Zweck übt der Arzt verschiedene Berührungs- und Temperaturreize auf die Haut des Patienten aus. Der Patient gibt in Folge Meldung, sobald Schmerzen auftreten, und beschreibt anschließend die Art des empfundenen Schmerzes. Bestätigt sich hier der Verdacht auf Allodynie, muss innerhalb weiterer Schritte die Ursache der verstärkten Schmerzempfindung ermittelt werden. Neuropathische Erkrankungen lassen sich hierbei am besten mittels bildgebender Verfahren (z.B. CT oder Röntgen) feststellen. Psychische Auslöser erfordern hingegen eine ausführliche Anamnese zu Gewohnheiten im Alltag und seelischer Belastung. Die Therapie erfolgt dann in Abhängigkeit von der Ursache:
- Psychotherapie: Maßnahmen der Psychotherapie können häufig nicht nur die psychische Erkrankung, sondern auch die dadurch entstehende Allodynie kurieren. Die Behandlung umfasst neben Gesprächstherapien und das Erlernen von Bewältigungsstrategien, um ein erneutes Auftreten der Erkrankung zu vermeiden. Begleitend kann eine Psychotherapie zudem bei neuropathischen Ursachen zum Einsatz kommen.
- Medikamente: Medikamente wie Antiepileptika, Antidepressiva, Opiate und Lokalanästhetika kommen sowohl bei psychischen als auch bei neuropathischen Ursachen zum Einsatz. Welches Präparat verschrieben wird, ist meist von der Schmerzintensität abhängig. Starke Arzneimittel wie Opiate finden dabei jedoch nur im Falle extremer Schmerzen Anwendung. Ergänzend muss natürlich auch die ursächliche Erkrankung behandelt werden. Entzündungen neuropathischer Natur lassen sich hier zum Beispiel mit Antibiotika beikommen.
- Schmerzexposition: Unter Allodynie leidende Patientenerfuhren in Studien eine deutliche Besserung ihres Krankheitsbildes, nachdem sie sich unter ärztlicher Aufsicht tatsächlichen, starken Schmerzreizen ausgesetzt wurden. Diese Behandlung kann jedoch nur nach ausdrücklichem Einverständnis des Patienten erfolgen. Gerade zu Beginn kann diese Art der Desensibilisierung nämlich zusätzliche Schmerzen für Betroffene bedeuten.
- Schonung: Verzichten sollten Patienten mit Allodynie während der Behandlung auf reizende Stoffe wie parfüm- oder alkoholhaltige Produkte zur Hautpflege. Sie können die Nerven weiter sensibilisieren, wodurch neuropathische Schmerzen eine weitere Steigerung erfahren.
Allodynie – Verlauf, Komplikationen und Prävention
- In vielen Fällen lassen sich Allodynien dank der richtigen Therapie gut behandeln. Eine Ausnahme bilden bleibende Nervenschäden, bei denen oft nur palliative Ansätze weiterhelfen.
- Innerhalb einer Allodynie können Betroffene psychische Störungen wie Depressionen oder Angststörungen entwickeln, welche die auftretenden Symptome zusätzlich verschlimmern können. Ebenso ist eine Vermeidungshaltung im Alltag bekannt, wodurch sich Betroffene langfristig häufig isolieren. Dies wiederum verstärkt die psychischen Symptome, weshalb entsprechendes Verhalten dringend therapiert werden muss.
- Einer durch psychische Faktoren verursachten Allodynie kann man am besten durch die zeitnahe Aufarbeitung von schmerzhaften Erlebnissen vorbeugen. Bestehende neuropathische Erkrankungen sollten ebenfalls frühzeitig behandelt werden, um eine gestörte Weiterleitung von Schmerzreizen zu verhindern.
Fazit
Die Allodynie sorgt bei Betroffenen für eine übersteigerte Schmerzempfindlichkeit. Diese basiert auf einer gestörten Weiterleitung von Schmerzreizen durch die dafür verantwortlichen Rezeptoren. Geschuldet ist die Überempfindlichkeit in den meisten Fällen neuropathischen Problemen, Diese entstehen zum Beispiel durch Nervenerkrankungen, -verletzungen oder -entzündungen. Lässt sich ein neuropathischer Hintergrund ausschließen, kommen auch psychische Erkrankungen als Ursache in Frage, welche die Nerven stark belasten. Neuropathischen Auslösern versucht die Medizin hier maßgeblich durch Schonung sowie die Gabe von Medikamenten beizukommen. Psychische Faktoren erfordern dagegen eine ausführliche Betreuung durch Psychotherapie.