Die Ahornsirupkrankheit (Leuzinose) verdankt ihren Namen dem Umstand, dass der Urin von Patienten meist nach Ahornsirup riecht. Was recht banal klingt, bedeutet für Betroffene eine lebenslange Einschränkung, den die Ahornsirupkrankheit ist eine handfeste Stoffwechselerkrankung mit weitreichenden Folgen. Erfahren Sie hier mehr zum Krankheitsbild sowie dessen Symptomen und Behandlungsmöglichkeiten.
Entstehung der Leuzinose
Für die Ahornsirupkrankheit verantwortlich ist eine Störung im Abbau von sogenannten verzweigtkettigen Aminosäuren. Dabei handelt es sich um mehrkettige Proteinverbindungen, die hauptsächlich in Leukozyten des Blutes, dem Lebergewebe sowie den Fibrolasten des Bindegewebes vorkommen. Zu ihnen zählen Leucin, Isoleucin und Valin. Können besagte Aminosäuren vom Stoffwechsel nicht vollständig abgebaut werden, so lagern sie sich gemeinsam mit ihren Zwischenprodukten im Blut und Urin ein. Aufgrund der besonderen Beschaffenheit der genannten Aminosäuren wird die Ahornsirupkrankheit auch als Verzweigtkettenkrankheit bezeichnet.
Für den Geruch des Urins ist im Falle der Ahornsirupkrankheit maßgeblich Sotolon verantwortlich. Ein Zwischenprodukt des Leucinstoffwechsels, das sich im Zuge der Erkrankung vermehrt im Urin der Patienten nachweisen lässt. Der Aromastoff riecht bei niedriger Konzentration stark nach Ahornsirup oder verbranntem Zucker bzw. Karamell. In höherer Konzentration erinnert der Geruch von Sotolon dagegen mehr an Curry oder Maggi. Der genaue Uringeruch kann bei Ahornsirup- bzw. Verzweigtkettenkrankheit also Auskunft darüber geben, wie schwer die Stoffwechselerkrankung ist.
Ursachen für Ahornsirupkrankheit
Leuzinose ist grundsätzlich erblich bedingt und beruht auf einer Mutation verschiedener Gene. Ihnen ist gemeinsam, dass sie für die Funktionalität eines Enzymkomplexes verantwortlich sind, der zum Abbau verzweigtkettiger Aminosäuren benötigt wird. In der Medizin heißt dieser Enzymkomplex auch alpha-Ketosäure-Dehydrogenase-Komplex. Je nachdem, welches Gen betroffen ist, lässt sich die Stoffwechselerkrankung dabei in drei Formen einteilen:
- Leuzinose Typ Ia – der genetische Defekt betrifft das BCKDHA-Gen auf dem 19. Chromosom
- Leuzinose Typ Ib – der Gendefekt betrifft das BCKDHB-Gen auf dem 6. Chromosom
- Leuzinose Typ II – die genetische Mutation betrifft das DBT-Gen auf dem 1. Chromosom
Symptome bei Ahornsirupkrankheit
Leuzinose macht sich bereits im Säuglingsalter bemerkbar. Dabei beeinflussen die Störungen im Abbau von verzweigtkettigen Aminosäuren zum einen die Zusammensetzung von Blut und Urin. Neben einem süßlichen bis süßlich scharfen Geruch des Urins nach Ahornsirup, Karamell, Maggi oder Curry ist hier vor allem eine Übersäuerung des Blutes (Azidose) durch vermehrte Einlagerung von Aminosäuren sehr häufig gegeben. Darüber hinaus sind Aminosäuren auch für die Funktionalität zahlreicher Organe und Körperstrukturen verantwortlich, weshalb eine Stoffwechselerkrankung wie Ahornsirup- bzw. Verzweigtkettenkrankheit im Körper zu diversen Funktionsstörungen führen kann. Insgesamt sind bei Leuzinose folgende Symptome zu erwarten:
- Azidose
- Blutzuckermangel (Hypoglykämie)
- gestörte Harnbildung
- Ahornsirup-, Karamell-, Curry- oder Maggi-Geruch des Urins
- Krampfanfälle
- Muskelsteifheit (Muskelhypotonie)
- Übelkeit und Erbrechen
- Teilnahmslosigkeit und Nahrungsverweigerung des Kindes
- Überstreckung der Extremitäten (Opisthotonus)
- schrilles Schreien des Säuglings
Diagnose und Therapie bei Ahornsirupkrankheit
Ein Säugling, der an Ahornsirupkrankheit leidet, muss zeitnah untersucht und behandelt werden. Zur Diagnose kommen hier sowohl das Neugeborenenscreening als auch Atemfunktions- und Reaktionstests zum Einsatz. Daneben kann ein erhöhtes Vorkommen von verzweigtkettigen Aminosäuren im Blut oder Urin durch spezielle Laboruntersuchungen nachgewiesen werden. Der pH-Wert des Blutes liegt hier gemeinhin unter 7,36 Punkten. Auch der Blutzuckerspiegel ist bei Säuglingen mit Leuzinose deutlich reduziert. Der Leucingehalt in Urin und Blut liegt bei Ahornsirupkrankheit oft 10 bis 40 Mal höher als bei gesunden Kindern und kann in den ersten 3 Lebenstagen auf 8 mg pro dl ansteigen. Wurde die Erkrankung festgestellt, sind folgende Behandlungsschritte wichtig:
- Gabe von Vitamin B1: Das als Thiamin bekannte Vitamin B1 gilt als Cofaktor bei gestörtem Leucin-Abbau. Dies bedeutet, dass Thiamin die enzymatische Umwandlung von verzweigtkettigen Aminosäuren unterstützt und somit erfolgreich einer erhöhten Einlagerung der Aminosäuren bzw. deren Abbauprodukten im Blut und Urin entgegenwirken kann. Außerdem stärkt Vitamin B1 Nerven, Muskeln und Herz-Kreislauf-System erkrankter Säuglinge. Symptome wie Krampfleiden oder Muskelsteife lassen sich dank Thiamin also beheben, die Vitalität des Kindes bis zur Stabilisierung verbessern.
- Spezialdiät im ersten Lebensjahr: Um eine Ahornsirupkrankheit in den Griff zu bekommen, muss die Art der Proteinzufuhr – unter Berücksichtigung des erhöhten Proteinbedarfs von Säuglingen – schon im Säuglingsalter fein abgestimmt werden. Sie dürfen Ihrem Kind ausschließlich Proteine verabreichen, die frei von verzweigtkettigen Aminosäuren sind. Säuglingsnahrung aus tierischen Proteinen scheidet somit völlig aus, denn einzig pflanzliche Lebensmittel bieten entsprechende Eiweißquellen. Ergänzend muss im ersten Lebensjahr eine Spätmahlzeit des Säuglings gegen 22.00 bis 24.00 Uhr erfolgen, um den Stoffwechsel des Kindes aktiv zu halten.
- Spezialdiät ab dem 1. Lebensjahr: Ab dem 1. Lebensjahr wird das Nahrungsmittelangebot für Kinder bekanntlich umfangreicher. Für ein Kind mit Ahornsirupkrankheit bedeutet dies aber auch mehr Tücken. Grundsätzlich sollten Sie jetzt jeden Morgen und Abend kohlenhydrathaltige Getränke an das Kind abgeben. Zubereitetes Obst und Gemüse darf nicht mehr als 50 mg Leucin pro 100 g aufweisen. Die meisten herkömmlichen Obst- und Gemüsesorten (z.B. Äpfel, Kirschen, Gurken oder Paprika) erfüllen diese Bedingung jedoch.
- Spezialdiät ab dem Schulalter: Es ist eine Empfehlung, Kinder mit Ahornsirupkrankheit auf eine lebenslange Form von leichtem Vegetarismus bzw. eiweißarmer Ernährung vorzubereiten. Die Zufuhr leucinhaltiger Produkte muss zwangsläufig dauerhaft reduziert werden, was hauptsächlich tierische Proteinquellen wie Fleisch, Fisch und Milchprodukte betrifft. Es gibt allerdings ein paar Tricks, so zum Beispiel Produkte aus Lupinenmehl oder Soja, die Kindern gute Alternativen zum reichhaltigen Angebot proteinreicher Tierprodukte bieten.
- Überwachung der Blutwerte und Operation: Zu jeder Zeit muss der Blutzuckerspiegel kleiner und großer Patienten mit Ahornsirupkrankheit sorgfältig überprüft werden. Im Notfall kann hier eine Dialyse notwendig werden, um eine zu starke Übersäuerung des Blutes zu verhindern. In besonders schweren Fällen von Leuzinose ist darüber hinaus eine Lebertransplantation nicht ausgeschlossen. Der Abbau verzweigtkettiger Aminosäuren könnte nach einer solchen Operation wieder vom Körper selbst übernommen werden.
Ahornsirupkrankheit – Verlauf, Komplikationen und Prävention
- Sofern eine Therapie bei Ahornsirup- bzw. Verzweigtkettenkrankheit innerhalb der ersten 7 bis 15 Lebenstage einsetzt, stehen die Chancen gut, dass das Kind ohne gesundheitliche Schäden aus der anfänglichen Schrecksituation für Eltern hervorgeht. Vollständig ausheilen lässt sich die erblich bedingte Stoffwechselerkrankung aber leider nicht.
- Setzt die Behandlung zu spät ein, ist mit schweren Schädigungen des Großhirns zu rechnen. Eine geistige Behinderung lässt sich in solch einem Fall nicht ausschließen.
- Vorbeugen lässt sich der Ahornsirupkrankheit wie allen genetisch bedingten Erkrankungen leider nicht.
Fazit
Das Wort „Ahornsirupkrankheit“ mag sich harmlos anhören, bedeutet für Eltern und erkrankte Kinder aber von Tag 1 der Geburt an eine tiefgreifende Umstellung. Die Stoffwechselerkrankung provoziert einen unzureichenden Abbau verzweigtkettiger Aminosäuren, die sich hauptsächlich in tierischen Proteinquellen tummeln. Demzufolge muss die Ernährung von Betroffenen lebenslänglich auf pflanzliche Eiweißquellen bzw. eiweißarme Lebensmittel umgestellt werden. Wichtig ist, die Behandlung so früh wie möglich zu beginnen und bereits in den ersten zwei Lebenswochen des Säuglings geeignete Therapieschritte einzuleiten. Ansonsten drohen schwere Hirnschäden und eine geistige Behinderung des Kindes. Erfreulicher Weise bietet die Lebensmittelindustrie inzwischen aber zahlreiche Ernährungsalternativen für Menschen mit Ahornsirupkrankheit.